Was ist die Neurofibromatose Typ 1?
Die Neurofibromatose Typ 1 (NF1), auch Morbus Recklinghausen genannt, ist eine genetische, also eine erbliche Erkrankung, die sich bereits in der Kindheit manifestiert (bemerkbar macht) und verschiedene Organe in ganz unterschiedlicher Ausprägung involviert. Die NF1 ist eine Erkrankung, die eine abgestimmte Betreuung durch Ärzte verschiedener Fachrichtungen erforderlich macht. Charakteristisch für Menschen mit einer NF1 ist die Entwicklung von Tumoren, zumeist gutartigen Nervenscheidentumoren, sogenannten Neurofibromen, aber auch für bösartige Tumore ist das Risiko erhöht. Damit gehört die NF1 zu den Tumorprädispositionserkrankungen.
Wie wird die Diagnose Neurofibromatose Typ 1 gestellt?
Anhand der nachfolgenden Kriterien, die sich altersabhängig entwickeln, kann eine NF1 klinisch diagnostiziert werden. Es müssen mindestens zwei Kriterien erfüllt sein.
Diagnostische Kriterien für NF1
Bei alleinigem Vorliegen der NF1-typischen Hautmerkmale bleibt eine gewisse diagnostische Unsicherheit bestehen, die durch eine genetische Untersuchung behoben werden sollte.
Die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung von Neurofibromen der Haut (kleiner gutartiger Nervenscheidentumore) ist nahezu 100%. In welcher Anzahl und Größe sie entstehen werden, kann man nicht vorhersagen. Manchmal kann es passieren, dass sich ein vorbekanntes Neurofibrom plötzlich verändert, beginnt zu schmerzen oder schneller zu wachsen oder es fühlt sich anders an. Das bedarf dann einer weiteren Abklärung, z.B. durch eine Bildgebung und/oder Probeentnahme. Grund hierfür ist das Risiko, dass Neurofibrome entarten und daraus maligne periphere Nervenscheidentumore (MPNST) entstehen können.
Weitere klinische Merkmale
Die klinischen Symptome sind vielfältig und ihre Entwicklung ist altersabhängig. Nachfolgend sind neben den im Vordergrund stehenden Hauterscheinungen wie CALF und Neurofibrome (siehe Diagnosekriterien) weitere Befunde aufgelistet:
Wie hoch ist das Krebsrisiko?
Obgleich für den einzelnen Patienten mit Neurofibromatose das Erkrankungsrisiko für Krebs im Alltag meist nicht im Vordergrund steht, so ist es doch im Vergleich zur Gesamtbevölkerung erhöht. Nachfolgende Tumore treten bei der NF1 vermehrt auf:
Wodurch entsteht eine Neurofibromatose Typ 1?
Die Neurofibromatose ist eine genetische Erkrankung, die durch eine Mutation, also eine Veränderung im Erbgut, entsteht. Das betroffene Gen kodiert für Neurofibromin. Neurofibromin ist ein Eiweiß, das in der Tumorunterdrückung wichtig ist. Es wirkt der Entstehung von Tumoren entgegen. Durch das Fehlen von Neurofibromin wächst daher das Krebsrisiko an.
Die NF1 ist mit etwa 1 in 3000 Menschen die häufigste Neurofibromatose. Etwa die Hälfte der Erkrankungen wird vererbt und von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben; der Erbgang ist dabei autosomal-dominant. Es gibt bei nahezu kompletter Penetranz, das heißt die Krankheit tritt sicher klinisch in Erscheinung, jedoch keine gute Genotyp-Phänotyp Korrelation. Das bedeutet, dass die Ausprägung der Erkrankung selbst innerhalb einer Familie mit der gleichen Mutation ganz unterschiedlich sein kann. Eine Vorhersage zur Erkrankungsschwere ist daher nicht möglich. Der anderen Hälfte der Erkrankungen liegt eine Spontan- oder Neumutation, man nennt das eine de novo Mutation, zu Grunde.
Zudem gibt es auch eine segmentale NF1, das heißt, die Erkrankung ist nur auf ein ganz bestimmtes Körperareal, z.B. ein Bein, begrenzt. Man spricht hier auch von einer Mosaik-Form der NF1. Die Mutation betrifft dann nicht alle, sondern nur einen Teil der Körperzellen, es gibt also gesunde und betroffene Zellen nebeneinander.
Eine genetische Untersuchung ist prinzipiell möglich und wird zur Diagnosesicherung empfohlen, insbesondere bei den Kindern, die ausschließlich mit den typischen Hautveränderungen auffallen. In 95% kann die Mutation bei klinisch gesicherter Diagnose gefunden werden. Wenn dies nicht der Fall ist, wird eine weitere genetische Abklärung auf das Vorliegen einer NF1-ähnlichen Erkrankung empfohlen.
Gibt es eine Therapie?
Die Therapie richtet sich nach den Symptomen. Wenn Beschwerden bestehen oder Komplikationen entstehen, werden diese behandelt. Bei Bestehen eines Optikusglioms, das einen Sehverlust und ein Heraustreten des Augapfels bedingt, muss eine Chemotherapie erwogen werden, von einer Bestrahlung sollte abgesehen werden. Aktuell findet eine neue Therapieoption mit sogenannten MEK-Inhibitoren (Selumetinib, Cobimetinib) für inoperable plexiforme Neurofibrome große Aufmerksamkeit, eine Medikamentenzulassung für diese Diagnose gibt es momentan in Deutschland jedoch noch nicht.
Bitte Fragen Sie Ihren behandelnden Arzt, ob es offene klinische Studien gibt, die für Sie in Betracht kämen.
Mein Kind hat eine Neurofibromatose Typ 1, wie geht es weiter?
Maßnahmen zur Früherkennung
Das Ziel ist das frühzeitige Erkennen sich entwickelnder Komplikationen, um möglichst optimale Behandlungsergebnisse zu erlangen. Dafür sind regelmäßige ärztliche Vorstellungen empfohlen:
Untersuchungsempfehlungen der AACR 2016
Selbstfürsorge und Selbsthilfe
Worauf sollte ich besonders achten?
Das Risiko für die Entwicklung eines Sehbahntumors (Optikusglioms) ist im Alter von 3-4 Jahren am höchsten (0-6 Jahre). Es gibt typische Symptome, die Eltern bei zunehmender Sehschwäche ihres Kindes bemerken können. Das sind:
Wenn Sie vermehrt diese Zeichen bei Ihrem Kind bemerken, vereinbaren Sie bitte einen Termin bei Ihrem betreuenden Augenarzt, Kinderarzt oder in einer NF1-Spezialambulanz.
Das Risiko für die Entwicklung von MPNST steigt im jungen Erwachsenenalter an. Ab der Pubertät bedürfen einer erhöhten Aufmerksamkeit:
Bitte kontaktieren Sie Ihren behandelnden Arzt oder jede Neurofibromatose-Sprechstunde und vereinbaren Sie einen Termin bei Unsicherheiten.