Definition

Die SAMD9-Defizienz (OMIM #617053) ist eine genetische Erkrankung, die auf Mutationen im SAMD9-Gen beruht. Sie wird auch als MIRAGE-Syndrom bezeichnet, ein Akronym, welches sich aus den am häufigsten beobachteten Symptomen zusammensetzt: Myelodysplasie, Infektion, Restriktion des Wachstums, adrenale Hypoplasie, genitale Anomalien und Enteropathie. Daneben können zahlreiche weitere Auffälligkeiten in verschiedenen Organen auftreten. Häufig verläuft die Erkrankung innerhalb der ersten Lebensdekade letal, meist aufgrund von schweren Infektionen.

Eckdaten

< Tabelle seitlich verschiebbar >
Synonym  MIRAGE-Syndrom
Gen SAMD9 (sterile alpha motif domain-containing protein-9 gene)
Genprodukt SAMD9
Funktion Wachstums-Repressor
bei Mutationen des SAMD9-Gens kommt es zu gain-of-function
Erbgang autosomal-dominant, meist de novo Mutationen
Prävalenz unbekannt
Genotyp-
Phänotyp-
Korrelation
sehr homogener Phänotyp bei den bisher diagnostizierten Patienten
Penetranz unbekannt
< Tabelle seitlich verschiebbar >

Diagnose

Genetische Diagnostik

Die Diagnose „SAMD9-Defizienz“ wird gesichert durch den Nachweis einer heterozygoten Keimbahnmutation des SAMD9-Gens durch eine Sequenzanalyse.

In hämatopoetischen Zellen von Trägern einer SAMD9-Mutation ist die Mutation „toxisch“. Der häufig beobachtete Verlust von genetischem Material von Chromosom 7 (z.B. Monosomie 7) in hämatopoetischen Zellen der Betroffenen führt zu einem Verlust des mutierten Allels (Adaption-durch-Aneuploidie-Mechanismus). Daher kann es sinnvoll sein, nicht hämotopoetisches Gewebe für diagnostische Zwecke zu analysieren. Die häufig beobachtete Monosomie 7 scheint ein wichtiger Leukämogenese-Schritt in diesen Patienten zu sein.

Differentialdiagnosen

  • SAMD9L-Defizienz

  • IMAGe-Syndrom – Intrauterine Wachstumsretardierung, metaphysäre Dysplasie, adrenale Hypoplasie, genitale Anomalien (Mutation im CDKN1C-Gen)

Klinische Präsentation

Im Rahmen einer SAMD9-Defizienz können Erkrankungen in verschiedenen Organsystemen auftreten.

Myelodysplasie

Hämatologische Auffälligkeiten sind transiente oder persistierende Thrombozytopenien und/oder Anämien, die meist im Säuglingsalter auftreten, sich aber in der Regel spontan zurückbilden. Daneben kann eine milde Lymphopenie bestehen, einige Patienten entwickeln Leukopenien. Selten kann es zur Entwicklung eines myelodysplastischen Syndroms (MDS) kommen.

Infektionen

Bei nahezu allen bisher diagnostizierten Patienten entwickelten sich schwere teils rezidivierende Infektionen oft in Form einer Sepsis, Meningitis oder systemische Mykose. Auch rezidivierende virale oder bakterielle Infektionen können auftreten. Schwere Infektionen verlaufen nicht selten bereits vor Erreichen des zweiten Lebensjahres letal.

Retardiertes Wachstum

Charakteristisch für Patienten mit SAMD9-Mutation ist ein retardiertes Längenwachstum und ein niedriges Körpergewicht, das sowohl prä- als auch postnatal besteht. Bei einigen Patienten kommt es daneben zu einer intellektuellen und/oder motorischen Entwicklungsverzögerung.

Adrenale Hypoplasie

Die im Rahmen einer SAMD9-Mutation häufig beschriebene Nebennierenhypoplasie fällt in der Regel durch eine Hyperpigmentierung der Haut auf noch bevor Symptome des Salzverlustes eintreten. Bei allen bisher sonographisch untersuchten Patienten wurde eine Nebennierenhypoplasie diagnostiziert.

Genitale Anomalien

Bei allen Patienten mit männlichem Karyotyp zeigte sich eine genitale Unterentwicklung in Form von Mikropenis, Kryptorchismus, Hypospadie bis hin zu einem vollständig weiblichen äußeren Genitale. Bei Patienten mit weiblichem Karyotyp können hypoplastische oder dysgenetische Ovarien vorliegen mit nur wenigen Primordialfollikeln. Die Ovarien können auch vollständig fehlen.

Enteropathie

Eine Enteropathie äußert sich im Rahmen einer SAMD9-Mutation durch chronische Diarrhö und eine Kolondilatation. Auch kann ein gastroösophagealer Reflux bestehen.

Des Weiteren wurden ein offener Ductus arteriosus, ein hypoplastischer oder fehlender Thymus, rezidivierende Harnwegsinfekte und Skelettanomalien (kongenitale Skoliose, radiale Klumphand, überlappende Finger, Klumpfüße, angeborene Plattfüße) beschrieben.

Besonderheiten bei der Behandlung

Die Behandlung von Patienten mit SAMD9-Defizienz sollte interdisziplinär erfolgen. Dabei sollte die Therapie an die jeweils vorliegende Manifestation individuell angepasst werden.

Bei Auftreten eines MDS ist eine Diskussion mit der EWOG-MDS Studienleitung sinnvoll. Eine Knochenmarktransplantation kann eine Option bei Patienten mit MDS darstellen.

Empfehlungen zur Früherkennung bei Ihren Patienten

Empfehlungen zur Früherkennung

Da es sich bei der SAMD9-Defizienz um eine sehr seltene Erkrankung handelt, fehlen bisher ausreichende Daten, um standardisierte Früherkennungsempfehlungen geben zu können. Analog zu anderen Leukämieprädispositionssyndromen sollten folgende Untersuchungen regelmäßig durchgeführt werden:

  • Klinische Untersuchungen

  • Großes Blutbild jährlich

  • Knochenmarkpunktion einmal initial und dann bei instabilen Blutwerten/klinischem MDS-Verdacht

  • Eine Knochenmarkpunktion 1x pro Jahr sollte erwogen werden (mit Stanze, Aspirat, Zytogenetik)

Weitere Informationen

Offene klinische Studien / Register

Selbsthilfegruppen

Leider gibt es bislang keine uns bekannten Selbsthilfegruppen für Patienten mit SAMD9-Defizienz. Sobald uns hier neue Informationen zur Verfügung stehen, werden wir diese ergänzen.