Definition
Hereditäre Leiomyomatose und Nierenzellkarzinom (HLRCC, OMIM #150800) ist eine genetische Erkrankung, die auf Mutationen im FH-Gen beruht. Sie ist charakterisiert durch das Auftreten von kutanen Leiomyomen, uterinen Leiomyomen (Fibroiden) und/oder solitären Nierentumoren.
Eckdaten
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Synonym | HLRCC |
Gen | FH |
Genprodukt | FH (Fumarat Hydratase) |
Funktion | Tumorsuppressor Inaktivierung der Fumarat Hydratase führt zu einer intrazellulären Akkumulation von Fumarat und damit zu einer herabgesetzten Degradation von HIF (Hypoxie-induzierter Faktor). Eine somit gesteigerte Aktivität der HIF-1α hat eine verstärkte Expression von Wachstumsfaktoren zur Folge. |
Erbgang | autosomal-dominant |
Prävalenz | bisher sind >300 Familien mit HLRCC beschrieben |
Genotyp- Phänotyp- Korrelation |
unbekannt |
Penetranz | hoch, aber inkomplett |
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Diagnose
Verdachtsdiagnose
Das Auftreten multipler histopathologisch gesicherter Leiomyome der Haut sollte an ein HLRCC denken lassen. Darüber hinaus besteht der Verdacht auf ein HLRCC bei dem Vorliegen von ≥2 der folgenden Befunde:
Operationsbedürftige symptomatische und/oder multiple uterine Leiomyome vor dem 40. Lebensjahr
Typ 2 papilläres Nierenzellkarzinom vor dem 40. Lebensjahr
Ein erstgradig Verwandter mit einem der oben genannten Kriterien
Klinische Diagnose
Die Diagnose HLRCC gilt als gesichert bei dem Nachweis einer heterozygoten Mutation des FH-Gens in Kombination mit einem der folgenden klinischen Befunde:
Multiple kutane Leiomyome (≥1 histologisch gesichertes Leiomyom) ohne positive Familienanamnese für HLRCC
1 kutanes Leiomyom bei positiver Familienanamnese
≥1 Sammelrohrkarzinom, tubulo-papilläres oder Typ 2 papilläres Nierenzellkarzinom (unabhängig von der Familienanamnese)
Genetische Diagnostik
Der genetische Nachweis erfolgt über die Identifikation einer heterozygoten Keimbahnmutation des FH-Gens durch Sequenz- oder Deletions-/Duplikationsanalyse. Auch der Einsatz von Panel-Untersuchungen, in denen mehrere Gene erfasst werden, kann sinnvoll sein.
Differentialdiagnosen
Sporadische, nicht-syndromale uterine Leiomyomatose
Von-Hippel-Lindau-Syndrom
Birt-Hogg-Dubé-Syndrom
Hereditäres papilläres Nierenkarzinom
Klinische Präsentation
HLRCC wird charakterisiert durch das Auftreten von kutanen Leiomyomen, uterinen Leiomyomen und/oder Nierenzellkarzinomen. Die Schwere der Erkrankung zeigt eine große intra- und interfamiliäre Variabilität.
Kutane Leiomyome
Diese meist am Stamm oder den Extremitäten, seltener am Kopf und Nacken auftretenden Hautmanifestationen erscheinen als hautfarbene oder hellbraune Papeln oder Nodulae. Das durchschnittliche Alter bei Auftreten liegt bei 25 Jahren (Intervall 10-47 Jahre), wobei die Leiomyome in Anzahl und Größe mit steigendem Alter zunehmen. Typischerweise werden die Leiomyome als schmerzhaft beschrieben. Dieser Schmerz kann durch Kälte, Hitze oder Berührung verstärkt werden.
Die Anzahl der kutanen Leiomyome im Rahmen des HLRCC ist sehr variabel, so können multiple Leiomyome oder nur ein singuläres Leiomyom auftreten. Auch das Fehlen von Hautmanifestationen ist möglich.
Uterine Leiomyome (Fibroide)
Leiomyome des Uterus treten bei etwa 80% der weiblichen HLRCC-Patientinnen auf. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung treten die uterinen Leiomyome im Rahmen eine HLRCC mit einem Durchschnittsalter von 30 Jahren (Intervall 18-52 Jahre) früher auf, so dass auch chirurgische Interventionen wie Myomektomien oder Hysterektomien in deutlich jüngerem Alter (durchschnittlich mit 35 Jahren) erfolgen. Die Leiomyome sind typischerweise groß und zahlreich und lösen bei den Betroffenen häufig irreguläre und starke Menstruationsblutungen sowie Schmerzen im Unterleib aus.
Nierenkarzinome
Bei den im Rahmen des HLRCC auftretenden Nierenerkrankungen handelt es sich um Typ 2 papilläre oder tubulo-papilläre Nierenzellkarzinome sowie Sammelrohrkarzinome. Die meisten dieser Tumore sind unilateral und solitär und zeigen sich aggressiver als andere hereditäre Nierenzellkarzinomen. Bei etwa 10-16% der Patienten mit HLRCC treten Nierenzellkarzinome auf, wobei das durchschnittliche Alter bei Diagnosestellung bei 41 Jahren liegt. Verursachte Symptome können eine Hämaturie, unterer Rückenschmerz oder eine palpable Raumforderung sein, jedoch ist auch ein asymptomatischer Verlauf möglich.
Besonderheiten bei der Behandlung
Kutane Leiomyome
Die Therapie kutaner Leiomyome ist schwierig. Folgende Optionen bestehen:
Chirurgische Exzision solitärer schmerzhafter Läsionen
Kryoablation und/oder Lasertherapie
Medikamentös: Kalziumkanalblocker, α-Blocker, Nitroglycerin, Antidepressiva und Antiepileptika können den Schmerz reduzieren
Uterine Leiomyome (Fibroide)
Medikamentös: GnRH-Agonisten, antihormonelle und Schmerztherapie präoperativ zur Größenreduktion der Leiomyome und/oder als temporäre symptomatische Therapie
Myomektomie als uteruserhaltende chirurgische Therapie
Hysterektomie
Nierenkarzinome
Frühe chirurgische Resektion, dabei sollte eine Nephrektomie aufgrund der Aggressivität des Tumors in Erwägung gezogen werden
Empfehlungen zur Früherkennung bei Ihren Patienten
Empfehlungen zur Früherkennung
Bisher bestehen keine einheitlichen Früherkennungsempfehlungen. Die American Association for Cancer Research schlägt folgendes Vorgehen vor:
Jährlich MRT Nieren ab 8 Jahren
Jährlich dermatologische Untersuchung durch einen Pädiater oder Dermatologen ab Diagnosestellung
Jährlich gynäkologische Untersuchung ggf. mit Sonographie ab erster gynäkologischer Vorstellung, spätestens aber ab 20 Jahren oder bei Symptomen
Weitere Informationen
Offene klinische Studien / Register
Im Moment gibt es keine offenen klinischen Studien / Register für Patienten mit Hereditärer Leiomyomatose und Nierenzellkarzinom, die wir Ihnen zur weiteren Information empfehlen.