Was ist das Juvenile Polyposis-Syndrom?
Das Juvenile Polyposis-Syndrom (JPS) ist eine Erkrankung, die auf Mutationen, also genetischen Veränderungen im BMPR1A– oder SMAD4-Gen beruht. Sie ist charakterisiert durch das Auftreten von Polypen im Magen-Darm-Trakt sowie ein erhöhtes Risiko für Darm- und Magenkrebs. Daneben sind Mutationen im SMAD4-Gen mit der hereditären hämorrhagischen Teleangiektasie (HHT), eine Erkrankung der Gefäße, assoziiert.
Wie wird die Diagnose Juvenile Polyposis-Syndrom gestellt?
Klassische Diagnostik
Der Verdacht auf ein Juvenile Polyposis-Syndrom besteht bei folgenden Befunden:
Diagnosekriterien
Die Diagnose „Juvenile Polyposis-Syndrom“ gilt als gesichert bei einem der folgenden Befunde:
Genetische Diagnostik
Die Diagnose „Juvenile Polyposis-Syndrom“ wird gesichert durch den Nachweis einer Mutation, also einer genetischen Veränderung des SMAD4– oder BMPR1A-Gens.
Wie hoch ist das Krebsrisiko?
Polypen, Magen- und Darmkrebs
Polypen treten sowohl im oberen als auch im unteren Magen-Darm-Trakt auf und zeigen eine große Variabilität hinsichtlich Form und Größe: Es können sowohl flach aufliegende als auch gestielte Polypen auftreten, deren Anzahl sich zwischen einzelnen wenigen bis über 100 Polypen bewegt. Juvenile Polypen (dabei bezieht sich „juvenil“ auf die Histologie, nicht auf das Alter) können sich vom Säuglings- bis zum Erwachsenenalter entwickeln. Die meisten JPS-Patienten weisen im Alter von 20 Jahren Polypen auf. Als Komplikation kann es zu Blutungen und daraus resultierendem Mangel roter Blutkörperchen kommen.
Die meisten juvenilen Polypen sind gutartig, jedoch kann eine Umwandlung in bösartige Tumore vorkommen. Im Alter von 35 Jahren sind 17%-22% der JPS-Patienten an Darmkrebs (Kolonkarzinom) erkrankt, im Alter von 60 Jahren sind es bereits 68%. Das durchschnittliche Alter bei Diagnosestellung eines Kolonkarzinoms liegt bei 42 Jahren. Die Wahrscheinlichkeit an Magenkrebs zu erkranken beträgt bei JPS-Patienten mit Polypen im Magen 21%.
Juveniles Polyposis-Syndrom/Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (JPS/HHT-Syndrom)
Bei Patienten mit einer SMAD4-Mutation kann ein JPS/HHT-Syndrom auftreten, welches sowohl Symptome einer juvenilen Polyposis sowie eines HHT zeigen kann. Die HHT ist eine Gefäßerkrankung und kann sich durch Nasenbluten, Teleangiektasien (Gefäßerweiterungen der Kapillargefäße der Haut), arteriovenöse Malformationen (AVM, Kurzschlussverbindungen zwischen Arterien und Venen) oder Trommelschlegelfinger äußern. Die klinischen Symptome manifestieren sich meist in der frühen Kindheit, wobei AVM der Lunge und Nasenbluten nahezu immer auftreten. Komplikationen eines JPS/HHT-Syndroms können ein Mangel roter Blutkörperchen, Migräne und Kopfschmerzen sein.
Daneben kann es im Rahmen einer SMAD4-Mutation zu Erkrankungen der herznahen Aorta (Hauptschlagader) kommen. Dies können Aussackungen oder eine Aufspaltung der Aortenwand oder auch eine Aufweitung des gesamten Gefäßes sein. Außerdem kann es zu Fehlfunktionen der Mitralklappe (Herzklappe zwischen linkem Hervorhof und linker Herzkammer) kommen.
Wodurch entsteht das Juvenile Polyposis-Syndrom?
Das Juvenile Polyposis-Syndrom beruht auf Mutationen, also genetischen Veränderungen des BMPR1A– oder SMAD4-Gens. Diese Gene kodieren für das BMPR1A- bzw. SMAD4-Protein, welche beide als Tumorsuppressoren dafür sorgen, dass die Entstehung von Tumorzellen unterdrückt wird.
Liegt nun das BMPR1A– oder das SMAD4-Gen in einer veränderten Form vor, werden auch die entsprechenden Proteine nicht mehr korrekt hergestellt und somit können diese nicht mehr als Tumorsuppressoren arbeiten. Dadurch kommt es zur Entstehung von Polypen und Tumoren.
Das Juvenile Polyposis-Syndrom kann von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben werden. Der Erbgang ist dabei autosomal-dominant. Den verbleibenden Fällen (etwa 67%) liegt eine Spontan- oder Neumutation, man nennt das eine de novo Mutation, zu Grunde.
Gibt es eine Therapie?
Eine Entfernung der Polypen mittels Magen- oder Darmspiegelung (endoskopische Polypektomie) sollte möglichst frühzeitig durchgeführt werden und kann das Risiko für bösartige Entartung, Blutungen oder Darmverschlüsse verringern. Bei einer großen Anzahl von Polypen oder starken Symptomen kann eine teilweise oder vollständige Entfernung des Dickdarms bzw. Magens (totale oder subtotale Kolektomie bzw. Gastrektomie) sinnvoll sein.
Ein JPS/HHT-Syndrom sollte wie die Form der hereditären hämorrhagischen Teleangiektasie behandelt werden, die nicht auf einer SMAD4-Mutation beruht.
Gibt es Maßnahmen zur Früherkennung von Krebserkrankungen?
Maßnahmen zur Früherkennung
Patienten mit SMAD4– oder BMPR1A-Mutation oder klinisch diagnostiziertem JPS:
Zusätzlich bei Patienten mit SMAD4-Mutation
Selbstfürsorge und Selbsthilfe
Worauf sollte ich besonders achten?
Menschen mit dieser Darmkrebsneigung sollten in einem Zentrum versorgt werden, welches eine Früherkennung anbietet.
Sie sollten unabhängig von den Früherkennungs-Untersuchungen einen Arzt aufsuchen, sobald Beschwerden des Magen-Darm-Traktes auftreten. Diese können Blut- oder Schleimabgänge aus dem Darm, Stuhlauffälligkeiten wie Durchfall oder Verstopfungen, Blähungen oder Schmerzen sein. Aber auch unspezifische Zeichen wie Gewichtsverlust sollten wahrgenommen und einem Arzt berichtet werden, damit untersucht werden kann, ob ein Magen- oder Dickdarmkarzinom vorliegt.
Auch bei weiteren neu auftretenden Auffälligkeiten oder Beschwerden, z.B. Nasenbluten, Kurzatmigkeit, Kopfschmerzen oder neurologischen Symptomen sollten Sie dringend einen Arzt aufsuchen.
Selbsthilfegruppen
Leider gibt es bislang keine uns bekannten Selbsthilfegruppen für Patienten mit Juvenilem Polyposis-Syndrom. Sobald uns hier neue Informationen zur Verfügung stehen, werden wir diese ergänzen.