Schinzel-Giedion-Syndrom – Definition
Das Schinzel-Giedion-Syndrom (SGS, OMIM #269150) ist eine genetische Erkrankung, die auf Mutationen im SETBP1-Gen beruht. Es ist gekennzeichnet durch eine schwere Entwicklungsverzögerung, eine charakteristische Fazies und multiple kongenitale Anomalien, v.a. skelettal, urogenital, renal und kardial. Daneben besteht eine Prädisposition für embryonale Tumore, Hepatoblastome und sakrokokzygeale Keimzelltumore. Die Patient:innen sterben meist innerhalb der ersten Lebensdekade.
Synonyme:
Schinzel-Giedion Midface Retraction Syndrome
Gen:
SETBP1
Genprodukte:
SET-bindendes Protein-1
Funktion:
DNA-Replikation
Erbgang:
autosomal-dominant, aber in der Regel de novo Mutationen
Prävalenz:
<1 : 1.000.000
Genotyp-Phänotyp-Korrelation:
unbekannt
Penetranz:
unbekannt
Schinzel-Giedion-Syndrom – Diagnosestellung

Klinische Diagnosekriterien
Obligatorische Kriterien:
- Entwicklungsverzögerung (ausgenommen Neugeborene)
- Charakteristische Fazies:
- Prominente Stirn
- Retraktion des Mittelgesichts
- Kurze, nach oben gewandte Nase
Zusätzlich eines der folgenden Kriterien:
- Hydronephrose
- Zwei der folgenden typischen skelettalen Malformationen:
- Sklerotische Schädelbasis
- Weite supraokzipitale-exokzipitale Synchondrose
- Erhöhte kortikale Dichte oder Dicke
- Breite Rippen
Genetische Diagnostik
Die Diagnose „Schinzel-Giedion-Syndrom“ wird neben der klinischen Diagnose zusätzlich gesichert durch den Nachweis einer heterozygoten Keimbahnmutation des SETBP1-Gens durch Sequenz- oder Deletions-/Duplikationsanalyse.
Differentialdiagnosen
Chromosomenaberrationen:
- 20p Deletion
- Tetrasomie 12p Mosaik (Pallister-Killian-Syndrom)
- 9p Deletion
- Trisomie 9 Mosaik
„Multiple-congenital-anomaly“-Syndrome:
- Mowat–Wilson
- Hypertelorismus-Hypospadie-Syndrom
- CHARGE-Syndrom
- Smith-Lemli-Opitz-Syndrom
Erkrankungen mit Retraktion des Mittelgesichts:
- Mukopolysaccharidosis
- Gangliosidose
- Hypothyreose
- Chondrodysplasia punctata, rhizomeler Typ
- Robinow-Syndrom
Klinische Präsentation

Pränatal
Pränatal kann sich eine Hydronephrose zeigen, die meist bilateral vorliegt und von variabler Ausprägung ist. Daneben kann ein Polyhydramnion bestehen.
Kraniofaziale Malformation
Die charakteristische Fazies besteht aus Mittelgesichtshypoplasie und-retraktion (bei allen Patient:innen vorhanden), großer anteriorer Fontanelle, prominenter wulstiger Stirn, kurzer und nach oben gewandter Nase, okulärem Hypertelorismus, breitem Mund mit Makroglossie, kurzem Nacken, tiefsitzenden Ohren mit Malformationen und Hypertrichose. Dabei sind die verschiedenen Merkmale interindividuell variabel ausgeprägt.
Organmanifestationen
Bei über 90% der Patient:innen ist eine Hydronephrose zu finden, die von der milden Pyelektasie bis hin zur schweren Hydronephrose reichen kann.
Die Mehrzahl der Patient:innen (76%) weist genitale Anomalien auf, die sich in der Regel als Hypoplasie der Genitalien und Hypospadie äußern.
Kardiale Anomalien sind bei knapp der Hälfte der Patient:innen zu finden. Dabei kann es sich um valvuläre Dysplasien oder Stenosen, hypoplastische Ventrikel, Septumdefekte oder einen persistierenden Ductus arteriosus handeln.
Bei etwa einem Viertel der Patient:innen liegt eine Choanalatresie- oder stenose vor.
Neurologische Auffälligkeiten
Eine schwere Entwicklungsverzögerung liegt bei der Mehrzahl der Patient:innen vor. Daneben werden häufig (bei etwa 70%) Krampfanfälle beschrieben, die meist schwer zu durchbrechen sind. Weiterhin können Seh- und Hörbeeinträchtigungen auftreten. In der kranialen Bildgebung können sich eine Ventrikulomegalie, ein unterentwickeltes Corpus callosum, eine kortikale Atrophie sowie Plexus-choroideus-Zysten zeigen. Bei etwa der Hälfte der Patient:innen besteht eine Gedeihstörung.
Tumore
Bei einzelnen Patient:innen wurden maligne Tumore beschrieben. Dabei handelt es sich um sakrokokzygeale Keimzelltumore, sakrokokzygeale primitive neuroektodermale Tumore, ein extradurales Ependymom, ein Hepatoblastom und einen malignen retroperitonealen Tumor. Das Krebsrisiko ist bisher nicht bekannt, es scheint jedoch hoch zu sein basierend auf der kumulativen Anzahl der Krebserkrankungen in Bezug auf die Zahl der bisher bekannten Patient:innen (etwa 10 Tumore bei 70 Patient:innen, woraus sich ableiten lässt, dass das Krebsrisiko möglicherweise zwischen 10% und 15% liegt).
Manifestationen an den Extremitäten
Zu den häufig beobachteten Auffälligkeiten der Extremitäten zählen eine mesomelische Brachymelie, hyperkonvexe Nägel, Valgus- oder Varusfußstellungen und eine Vierfingerfurche.
Skelettale Auffälligkeiten
Radiologisch zeigen sich bei den Betroffenen häufig breite Rippen, eine verdickte, dichte Kortikalis der Röhrenknochen der Extremitäten sowie hypoplastische distale Phalangen. Daneben werden häufig eine sklerotische und verkürzte Schädelbasis sowie eine weite okzipitale Synchondrose beschrieben.
Besonderheiten bei der Behandlung

Im Hinblick auf die Vielzahl möglicher Manifestationen sollte die Therapie stets symptomorientiert und interdisziplinär unter Beteiligung der entsprechenden Fachdisziplin erfolgen.
Diagnose Schinzel-Giedion-Syndrom. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von betroffenen Patient:innen durch eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.
Diagnose Schinzel-Giedion-Syndrom. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von betroffenen Patient:innen durch eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.
Empfehlungen zur Früherkennung bei Ihren Patient:innen

Patient:innen und deren Familien sollten auf das vermutlich hohe Krebsrisiko von 10%-15% hingewiesen werden.
Bei der Basisdiagnostik sollte ein besonderes Augenmerk auf das Risiko für kongenitale Tumore gelegt werden. Im Hinblick auf skelettale, neurologische und renale Auffälligkeiten sollte diese Diagnostik eine Bildgebung der Wirbelsäule, des Abdomens und des Beckens umfassen.
Bei Patient:innen mit schwerer Symptomausprägung kann ergänzend zu einer Basis-Blutuntersuchung die Bestimmung der Tumormarker AFP und β-HCG hilfreich sein.
Bei milderen Verläufen sollte zusätzlich die regelmäßige Bestimmung von AFP und β-HCG sowie die regelmäßige Durchführung einer Sonographie des Abdomens und Beckens erwogen werden.
Schinzel-Giedion-Syndrom – weitere Informationen
Weitere Informationen
Leider gibt es bislang keine uns bekannten Selbsthilfegruppen für Patient:innen mit dem Schinzel-Giedion-Syndrom. Sobald uns hier neue Informationen zur Verfügung stehen, werden wir diese ergänzen.