Was ist die ETV6-Defizienz?

Die ETV6-Defizienz, auch Thrombozytopenie 5 genannt, ist eine Erkrankung, die auf Mutationen, also genetischen Veränderungen im ETV6-Gen beruht. Charakteristische Merkmale sind eine verminderte Menge an Blutplättchen (Thrombozytopenie) mit oder ohne Blutungsneigung, eine Zellvergrößerung der roten Blutkörperchen (Makrozytose) sowie ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung akuter Leukämien (v.a. B-ALL), eines myelodysplastischen Syndroms (MDS, eine Erkrankung des Knochenmarks) und selten anderer Tumore.

Wie wird die Diagnose ETV6-Defizienz gestellt?

Verdachtsdiagnose

Bei familiär gehäuft auftretenden milden bis moderaten Thrombozytopenien sowie bei der Kombination aus Thrombozytopenie und Leukämie oder solidem Tumor, sollte an eine ETV6-Mutation gedacht und dahingehend genetisch getestet werden.

Genetische Diagnostik

Die Diagnose „ETV6-Defizienz“ wird durch den Nachweis einer Mutation, also einer genetischen Veränderung im ETV6-Gen gesichert.

Wie hoch ist das Krebsrisiko?

Etwa 25% der Patienten mit einer ETV6-Mutation entwickeln eine akute Leukämie oder ein MDS. Die häufigste bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems (hämatologische Malignität) ist die pre-B-ALL (akute lymphatische Leukämie der B-Zelllinie) die bei bisherigen Beobachtungen im Durchschnitt mit 7 Jahren auftrat (Altersspanne 2-37 Jahre). Daneben wurden aber auch andere hämatologische Malignitäten beschrieben wie MDS, AML (akute myeloische Leukämie) und chronisch myelomonozytäre Leukämien (CMML).

Neben Erkrankungen des blutbildenden Systems kommen im Rahmen einer ETV6-Mutation auch andere bösartige Tumore vor. Bei einigen Patienten wurde von früh auftretendem Dickdarmkrebs berichtet und vereinzelt wurden Brustkrebs, ein Meningeom (ein Hirntumor), Dünndarmkrebs und Nierenkrebs beobachtet.

Zu dem erhöhten Krebsrisiko kommt eine häufig auftretende milde bis moderate Thrombozytopenie. Eine Blutungsneigung liegt nicht immer vor, meist ist sie ebenfalls mild bis moderat, nur selten besteht eine starte Blutungsneigung. Symptome sind typischerweise Nasen- und/oder Zahnfleischbluten, vermehrte blaue Flecken und verlängerte Monatsblutungen. Thrombozytopenie und Blutungsneigung können sich bereits im Säuglingsalter manifestieren.

Wodurch entsteht die ETV6-Defizienz?

Die ETV6-Defizienz beruht auf einer Mutation, also einer genetischen Veränderung des ETV6-Gens. Dieses Gen kodiert für den sogenannten Transkriptionsfaktor ETV6, der in der Entwicklung von Blutzellen eine wichtige Rolle spielt. Liegt nun das ETV6-Gen in einer veränderten Form vor, kann auch der Transkriptionsfaktor nicht mehr korrekt funktionieren und es kommt zur Entstehung von Leukämien.

Die ETV6-Defizienz kann von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben werden. Der Erbgang ist dabei autosomal-dominant.

Gibt es eine Therapie?

Eine milde bis moderate Thrombozytopenie ohne Blutungsneigung bedarf in der Regel keiner Behandlung. Bei einer Geburt oder größeren Operationen sollten entsprechende Blutprodukte verfügbar sein und im Fall einer stärkeren Blutung gegeben werden.

Die Therapie eines MDS oder einer Leukämie bei Patienten mit einer ETV6-Mutation sollte eingehend mit den entsprechenden Studienzentralen diskutiert werden.

Bei einer geplanten Stammzell-Transplantation mit einem Geschwisterkind als Spender, sollte bei diesem zuvor eine ETV6-Mutationsanalyse durchgeführt werden, um auszuschließen, dass es ein bisher unbekannter Träger des gleichen genetischen Syndroms ist.

Gibt es Maßnahmen zur Früherkennung von Krebserkrankungen?

Maßnahmen zur Früherkennung

Da es sich bei der ETV6-Defizienz um eine sehr seltene und noch nicht lange bekannte Erkrankung handelt, fehlen ausreichende Daten, um standardisierte Früherkennungsempfehlungen geben zu können. Es lässt sich jedoch sagen, dass folgende Untersuchungen regelmäßig durchgeführt werden sollten:

  • Klinische Untersuchungen

  • Großes Blutbild jährlich

  • Knochenmarkpunktion nur bei instabilen Blutwerten oder klinischem Leukämieverdacht

Selbstfürsorge und Selbsthilfe

Worauf sollte ich besonders achten?

Sie sollten einen Arzt aufsuchen, sobald vermehrte oder schlecht stillbare Blutungen (z.B. lange andauerndes oder häufiges Nasenbluten) oder vermehrte blaue Flecke auffallen. Daneben sollten Sie bei Abgeschlagenheit oder einem Krankheitsgefühl, Fieber, Nachtschweiß, Blässe, häufigen Infektionen oder Schwellungen der Lymphknoten dringend bei einem Arzt vorstellig werden. Kommt es zu weiteren neu auftretenden Auffälligkeiten oder Beschwerden, sollten diese ebenfalls möglichst rasch abgeklärt werden.

Selbsthilfegruppen

Leider gibt es bislang keine uns bekannten Selbsthilfegruppen für Patienten mit ETV6-Defizienz. Sobald uns hier neue Informationen zur Verfügung stehen, werden wir diese ergänzen.