Was ist die SAMD9L-Defizienz?

Die SAMD9L-Defizienz, auch Ataxie-Panzytopenie-Syndrom genannt, ist eine Erkrankung, die auf Mutationen, also genetischen Veränderungen im SAMD9L-Gen beruht. Charakteristisch sind eine zerebelläre Ataxie (eine Störung der Bewegungskoordination durch eine Schädigung im Kleinhirn) und verschiedene Formen von Zytopenien (Verminderung der Zellen im Blut; kann rote oder weiße Blutkörperchen oder Blutplättchen betreffen). Daneben haben die Betroffenen ein erhöhtes Risiko für Knochenmarkversagen, myelodysplastisches Syndrom (Erkrankung des Knochenmarks) und akute myeloische Leukämie (AML).

Wie wird die Diagnose SAMD9L-Defizienz gestellt?

Verdachtsdiagnose

Der Verdacht auf das Vorliegen einer SAMD9L-Defizienz besteht bei Personen, die mehr als einen der folgenden Befunde aufweisen:

  • Zerebelläre Ataxie (eine Bewegungsstörung durch eine Fehlfunktion des Kleinhirns)

  • Zytopenie mindestens einer Zelllinie (z.B. Anämie = Mangel an roten Blutkörperchen, Neutropenie = Mangel an weißen Blutkörperchen, Thrombozytopenie = Mangel an Blutplättchen)

  • Myeloische Leukämie oder myelodysplastisches Syndrom mit Monosomie 7 (genetische Veränderung, bei der Chromosom 7 nur einfach statt wie üblich doppelt vorliegt)

  • Verringerte Kleinhirnmasse und Veränderungen der weißen Substanz im Gehirn (sichtbar im MRT)

  • Auftreten eines der o.g. Befunde in der Familie

Genetische Diagnostik

Die Diagnose „SAMD9L-Defizienz“ wird durch den Nachweis einer Mutation, also einer genetischen Veränderung im SAMD9L-Gen gesichert.

Klinische Diagnostik

Um die Ausdehnung der Erkrankung festzustellen, sollte nach genetischer Diagnosestellung folgende klinische Diagnostik durchgeführt werden:

  • Evaluation der medizinischen Vorgeschichte

  • klinische Untersuchung inkl. neurologischer Untersuchung

  • MRT des Kopfes

  • Großes Blutbild

  • Knochenmarkpunktion

Wie hoch ist das Krebsrisiko?

Die bei einer SAMD9L-Defizienz bekannten bösartigen Neubildungen sind das myelodysplastische Syndrom (MDS) und die akute myeloische Leukämie. Wie hoch das Risiko ist, an einer dieser Manifestationen zu erkranken, ist bisher nicht bekannt. Daneben kann es im Rahmen einer SAMD9L-Defizienz zu Zytopenien kommen, dabei sind Anämien, also ein Mangel an roten Blutkörperchen, die häufigste Form. Die Schwere der Zytopenie kann von mild bis sehr schwer variieren. Das früheste Auftreten einer Erkrankung des blutbildenden Systems ist mit 3 Monaten beschrieben, aber auch hinsichtlich des Manifestationsalters zeigt sich eine große Variabilität.

Eine weitere Manifestationsform sind neurologische Erkrankungen. Bisher wurde bei vielen Patienten mit SAMD9L-Mutation eine Auffälligkeit des Nervensystems diagnostiziert. Es zeigt sich eine sogenannte zerebelläre Ataxie, eine Störung der Bewegungskoordination, die durch eine Schädigung des Kleinhirns verursacht wird. Zeichen dieser Ataxie sind Gang- und Gleichgewichtsschwierigkeiten, rhythmisches Augenzucken (Nystagmus), gesteigerte Reflexe und Schwierigkeiten bei der Aussprache. Das beeinträchtigte Gangbild und andere neurologische Auffälligkeiten sind in der Regel langsam fortschreitend. Beim Erkrankungsalter zeigt sich auch hier eine große Spannweite vom Säuglingsalter bis 62 Jahren. Auch können die neurologischen Symptome fehlen.

Wodurch entsteht die SAMD9L-Defizienz?

Die SAMD9L-Defizienz beruht auf einer Mutation, also einer genetischen Veränderung des SAMD9L-Gens. Dieses Gen kodiert für das Protein SAMD9L, welches als Tumorsuppressor fungiert, also die Vermehrung der Zellen in unserem Körper kontrolliert. Liegt nun das SAMD9L-Gen in einer veränderten Form vor, kann auch das Protein nicht mehr korrekt als Tumorsuppressor funktionieren und es kommt zur Entstehung von Neubildungen des blutbildenden Systems.

Die SAMD9L-Defizienz kann von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben werden. Der Erbgang ist dabei autosomal-dominant.

Gibt es eine Therapie?

Die Behandlung von Patienten mit SAMD9L-Defizienz sollte in Zusammenarbeit von Ärzten verschiedener Fachdisziplinen wie Pädiatrie, Hämatologie/Onkologie, Neurologie und Genetik erfolgen. Eine Diskussion mit der EWOG-MDS Studienleitung ist sinnvoll.

Manifestationen des blutbildenden Systems

  • Bei Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen) sollten bestimmte Medikamente (z.B. ASS, Ibuprofen, Diclofenac), welche die Blutgerinnung beeinträchtigen, vermieden werden.

  • Je nach Schwere der Zytopenie Gabe von entsprechenden Blutprodukten

  • Behandlung anderer Anämieursachen z.B. durch Eisen- oder Vitamineinnahme

  • Die Therapie einer myeloischen Neoplasie bei Patienten mit einer SAMD9L-Mutation sollte eingehend mit der entsprechenden Studienzentrale diskutiert werden.

  • Eine Knochenmarktransplantation kann eine Option, insbesondere bei Patienten mit myeloischer Neoplasie, darstellen.

Neurologische Manifestationen

Die Behandlung der Ataxie ist rein unterstützend, da bisher keine Therapie verfügbar ist, die ein Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen oder anhalten kann.

  • Alkohol und sedierende Medikamente sollten vermieden werden, da diese Gang und Koordination zusätzlich beeinträchtigen.

  • Patienten sollten so lange wie möglich mobil bleiben. Dabei können Gehilfen Stürze verhindern.

  • Gewichtskontrolle, da Übergewicht die Mobilität zusätzlich einschränkt

Gibt es Maßnahmen zur Früherkennung von Krebserkrankungen?

Maßnahmen zur Früherkennung

Folgende Untersuchungen sollten durchgeführt werden

  • Großes Blutbild jährlich, bei instabilem Blutbild häufiger

  • Eine Knochenmarkpunktion 1x pro Jahr sollte erwogen werden

  • Schulung des Patienten/der Familie hinsichtlich der Symptome, die auf eine Zytopenie hindeuten (z.B. Müdigkeit, Blässe, Blutungen, rezidivierende Infekte)

  • Jährliche klinische Untersuchung v.a. im Hinblick auf Gang, Koordination und Sprache

Selbstfürsorge und Selbsthilfe

Worauf sollte ich besonders achten?

Sie sollten einen Arzt aufsuchen, sobald vermehrte oder schlecht stillbare Blutungen (z.B. lange andauerndes oder häufiges Nasenbluten), vermehrte blaue Flecken, Abgeschlagenheit oder ein Krankheitsgefühl, Fieber, Nachtschweiß, Blässe oder häufige Infektionen auffallen. Daneben sollten Sie bei Auffälligkeiten des Gangbildes, der Sprache, Augenzucken oder anderen Bewegungs- oder Koordinationsschwierigkeiten dringend bei einem Arzt vorstellig werden. Kommt es zu weiteren neu auftretenden Symptomen oder Beschwerden, sollten diese ebenfalls möglichst rasch abgeklärt werden.

Selbsthilfegruppen und weitere Informationen

Leider gibt es bislang keine uns bekannten Selbsthilfegruppen für Patienten mit SAMD9L-Defizienz. Sobald uns neue Informationen zur Verfügung stehen, werden wir diese hier ergänzen.