Definition
Die RUNX1-Defizienz oder familial platelet disorder with associated myeloid malignancy (FPDMM; OMIM #601399) ist eine genetische Erkrankung, die auf Mutationen im RUNX1-Gen beruht. Charakteristische Merkmale sind Thrombozytopenien, Thrombozytopathien mit verlängerter Blutungszeit und ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines myelodysplastischen Syndroms (MDS), einer akuten myeloischen Leukämie (AML) oder akuten T-Zell-Leukämie (T-ALL). Das klinische Bild ist heterogen.
Eckdaten
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Synonym | familial platelet disorder with associated myeloid malignancy (FPDMM) |
Gen | RUNX1 |
Genprodukt | RUNX1 (runt-related transcription factor 1) auch AML1 (acute myeloid leukemia 1) auch CBFA2 (core-binding factor subunit alpha-2) |
Funktion | Transkriptionsfaktor, der die Differenzierung von hämatopoetischen Zellen in adulte Stammzellen reguliert |
Erbgang | autosomal-dominant |
Prävalenz | unbekannt |
Genotyp- Phänotyp- Korrelation |
nicht eindeutig Mutationen mit dominant-negativem Effekt (missense-Mutationen in der RUNT homology Domäne, nonsense- und frameshift-Mutationen in der C-terminalen Domäne) zeigen ein erhöhtes Risiko für MDS/AML Deletionen können mit einem syndromalen Phänotyp assoziiert sein (contiguous gene syndrome) |
Penetranz | insgesamt sehr variabel, für MDS/AML 30-40% |
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Diagnose
Klinische Diagnostik
Der Verdacht auf das Vorliegen einer RUNX1-Mutation besteht bei Personen mit persistierender Thrombozytopenie oder aspirin-like Thrombozytopathie, für die keine andere Ursache gefunden werden konnte. Darüber hinaus kann die Familienanamnese hinweisend sein, wobei bedacht werden muss, dass das klinische Bild einer RUNX1-Mutation von milden Symptomen bis hin zu hämatologischen Neoplasien (MDS, AML, T-ALL) reichen kann.
Genetische Diagnostik
Die Diagnose „FPDMM“ wird durch den Nachweis einer Mutation im RUNX1-Gen gesichert. Große Deletionen können am besten mithilfe von CGH- oder SNP-Arrays detektiert werden.
Differentialdiagnosen
Klinische Präsentation
Thrombozytopenie und Thrombozytopathie
Eine milde bis moderate Thrombozytopenie, auch niedrig-normale bis normale Thrombozytenzahlen sind möglich. Der Thrombozytopenie liegt eine fehlerhafte Reifung der Megakaryozyten zugrunde. Eine Dysmegakaryopoese ist der häufigste auffällige Befund im Knochenmarkausstrich.
Die Größe der Thrombozyten ist normal. Es besteht jedoch in den meisten Fällen ein Funktionsdefekt. Dabei ist die sog. „dense-granule storage pool deficiency“, eine Verminderung der dichten Granula mit Störung der irreversiblen Thrombozytenaggregation, die häufigste Form, aber auch weitere Funktionsdefekte wurden bei RUNX1-Mutationen gefunden.
Die Ausprägung der aus Thrombozytopenie und Thrombozytenfunktionsdefekt resultierenden Blutung ist sehr variabel.
Maligne hämatologische Erkrankungen
Das Risiko für eine maligne Transformation in ein MDS oder eine AML liegt bei 30-40%. Patienten, die eine RUNX1-Mutation mit dominant-negativem Effekt tragen, haben ein größeres Risiko als Patienten mit haploinsuffizienter RUNX1-Mutation.
Bei der AML wurden im Rahmen einer RUNX1-Mutation verschiedene French-American-British (FAB) Subtypen beobachtet. Bei MDS und myeloproliferativen Neoplasmen (MPN) treten refraktäre Anämien mit Blastenexzess, chronisch myeloische Leukämien und hypoplastische MDS mit Myelofibrose auf. Neben der in den meisten Fällen betroffenen myeloische Linie, kann auch die lymphatische Linie betroffen sein und sich in der Entwicklung einer T-ALL äußern.
Das durchschnittliche Alter beim Auftreten eines MDS bzw. einer AML liegt bei 33 Jahren, allerdings mit einer großen Altersspanne. Eine T-ALL im Rahmen einer RUNX1-Mutation tritt in der Regel früher auf.
Besonderheiten bei der Behandlung
Die Therapie eines MDS oder einer AML bei Patienten mit einer RUNX1-Mutation sollte eingehend mit den entsprechenden Studienzentralen diskutiert werden.
Bei einer geplanten Stammzell-Transplantation mit einem HLA-kompatiblen Geschwisterkind als Donor, sollte bei diesem zuvor eine RUNX1-Mutationsanalyse durchgeführt werden, um auszuschließen, dass es okkulter Träger des gleichen genetischen Syndroms ist.
Empfehlungen zur Früherkennung bei Ihren Patienten
Empfehlungen zur Früherkennung
FPDMM-Patienten sollten an ein Zentrum angebunden werden, an denen sie adäquat hämato-onkologisch betreut und genetisch beraten werden können.
Folgendes sollten die Früherkennungsmaßnahmen beinhalten:
Weitere Informationen
Offene klinische Studien / Register
Selbsthilfegruppen
Leider gibt es bislang keine uns bekannten Selbsthilfegruppen für Patienten mit RUNX1-Defizienz. Sobald uns hier neue Informationen zur Verfügung stehen, werden wir diese ergänzen.