Was ist das Gorlin-Syndrom?

Das Gorlin-Syndrom (auch Gorlin-Goltz-Syndrom oder Basalzellnävus-Syndrom genannt) ist eine genetische, also eine erbliche Erkrankung, die bereits ab dem frühen Kindesalter zu bösartigen Tumoren der Haut (Basalzellkarzinom) oder des Gehirns (Medulloblastom) führen kann. Deshalb gehört das Gorlin-Syndrom zu den Krebsprädispositionserkrankungen. Daneben kann es u.a. zum Auftreten von Kieferzysten oder Fehlbildungen des Skeletts, v.a. der Rippen und der Wirbelsäule, kommen.

Wie wird die Diagnose Gorlin-Syndrom gestellt?

Für die Diagnose wurden die beim Gorlin-Syndrom auftretenden Merkmale zunächst in Major- und Minor-Kriterien eingeteilt. Daraufhin wurde festgelegt, dass die Diagnose „Gorlin-Syndrom“ als gesichert gilt, wenn folgende Konstellation vorliegt:

  • 2 Major-Kriterien und 1 Minor-Kriterium oder 1 Major-Kriterium und 3 Minor-Kriterien

  • Genetischer Nachweis einer Mutation (Veränderung des Erbgutes) in den Genen, die für die Entstehung eines Gorlin-Syndroms verantwortlich sind (PTCH1 oder SUFU)

Major-Kriterien

  • Multiple Basalzellkarzinome (> 5) oder ein Basalzellkarzinom vor dem 30. Lebensjahr

  • Erstgradig Verwandter mit Basalzellkarzinom

  • Verkalkung der Falx cerebri (Teil der harten Hirnhaut, der die beiden Großhirnhälften voneinander trennt) vor dem 20. Lebensjahr

  • Kieferzysten

  • Verhornungsstörungen an Händen und/oder Füßen (> 1)

Minor-Kriterien

  • Medulloblastom des Kindesalters

  • Zysten im Bauch oder der Lunge

  • Makrozephalie (überdurchschnittlich großer Schädel)

  • Lippen-/Gaumenspalte

  • Wirbelkörper-/Rippenanomalien

  • Polydaktylie (zusätzliche Finger oder Zehen)

  • Fibrome (gutartige Tumore) an Eierstöcken oder am Herz

  • Anomalie der Augen (Katarakt (grauer Star), Entwicklungsdefekte, Pigmentveränderungen der Netzhaut)

Zur klinischen Diagnosesicherung bedarf es in der Regel mehrerer Röntgenuntersuchungen. Dazu zählen Röntgenuntersuchungen des Schädels, des Kiefers, der Lunge und der Wirbelsäule.

Da es sich um eine erbliche Erkrankung handelt, sollten blutsverwandte Familienmitglieder einer Person mit nachgewiesener genetischer Veränderung aufgrund des frühen Auftretens v.a. von Medulloblastomen so früh wie möglich genetisch getestet werden.

Bei Kindern mit speziellen Medulloblastom-Untergruppen (sogenannte SHH-Gruppe) sollte ein Gorlin-Syndrom stets ausgeschlossen werden, auch wenn weitere Merkmale des Syndroms fehlen.

Weitere klinische Merkmale

Die klinischen Symptome sind vielfältig und ihre Entwicklung ist altersabhängig. Nachfolgend sind neben den im Vordergrund stehenden Merkmalen wie Basalzellkarzinom, Medulloblastom, Kieferzysten etc. (siehe Major- und Minor-Kriterien) weitere Befunde aufgelistet:

  • Grobmotorische Entwicklungsverzögerung

  • Gesichtsanomalien: Balkonstirn, grobe Gesichtszüge, Milien (Hautgries)

  • Weitere Hautmanifestationen: Chalazion (Hagelkorn), Atherom (Talgzyste), Dermoidzyste (gutartiger Tumor, der u.a. Haut, Haare oder Zähne enthalten kann)

Wie hoch ist das Krebsrisiko?

Basalzellkarzinome können bereits im frühen Kindesalter auftreten, in der Regel entwickeln sie sich aber erst im späten Jugend- bis frühen Erwachsenenalter. 10% der Patienten mit Gorlin-Syndrom entwickeln nie ein Basalzellkarzinom. Ein erhöhtes Risiko besteht bei Patienten mit heller Haut und bei Patienten, die häufig UV-Licht (z.B. Sonnenlicht) ausgesetzt sind. Nach einer Bestrahlungstherapie z.B. aufgrund eines Medulloblastoms, besteht ebenfalls in dem bestrahlten Hautareal ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Basalzellkarzinomen.

Medulloblastome sind bösartige Tumore des Kleinhirns, die sich im Rahmen des Gorlin-Syndroms meist bereits im Alter von 1-2 Jahren manifestieren. Insgesamt tritt bei insgesamt etwa 5% aller Patienten mit Gorlin-Syndrom ein Medulloblastom auf. An dieser Stelle ist es wichtig zu wissen, dass das Gorlin-Syndrom auf der Veränderung von zwei verschiedenen Genen beruht. Ist das PTCH1-Gen betroffen, so beträgt das Risiko für die Entwicklung von Medulloblastomen weniger als 2%. Liegt aber eine genetische Veränderung im SUFU-Gen vor, besteht ein deutlich erhöhtes Risiko für Medulloblastome, welches mit etwa 33% angegeben wird.

Wodurch entsteht das Gorlin-Syndrom?

Das Gorlin-Syndrom ist eine genetische, also erbliche Erkrankung, die auf Veränderungen in zwei verschiedenen Genen beruht. Diese Gene heißen PTCH1 und SUFU und sie kodieren für zwei entsprechende Proteine (Eiweiße). Diese sind Teil eines Signalweges, durch den Zellen in der Lage sind, auf äußere Signale reagieren zu können. Kommt es nun zu einer Veränderung in einem der Gene, verändert sich daraufhin auch das entsprechende Protein und der Signalweg funktioniert nicht mehr korrekt. Durch diese Fehlfunktion kommt es folglich zur Entwicklung von Fehlbildungen oder Tumoren.

Ein Teil der Diagnostik besteht deshalb darin, Mutationen, also Veränderungen des Erbgutes, in einem der Gene zu finden. Dabei spielt es eine große Rolle, um welches der beiden Gene es sich handelt: Veränderungen in PTCH1 führen häufiger zu Basalzellkarzinomen und Kieferzysten, während Mutationen in SUFU deutlich häufiger zu der Entwicklung von Medulloblastomen führen.

Das Gorlin-Syndrom tritt bei etwa einem von 30.000-57.000 Menschen auf wird in 70-80% der Fälle von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben. Der Erbgang ist dabei autosomal-dominant und es liegt eine Penetranz von nahezu 100% vor, das heißt bei Vorliegen des Gendefektes kommt es bei fast jedem Individuum zur Ausbildung des Gorlin-Syndroms. Dabei entwickelt sich jedoch nicht bei jedem Patienten eine bösartige Tumorerkrankung. Den verbleibenden 20-30% der Fälle liegt eine Spontan- oder Neumutation, man nennt das eine de novo Mutation, zu Grunde.

Gibt es eine Therapie?

Die Therapie richtet sich nach der jeweils vorliegenden Erkrankung und nach den bestehenden Symptomen.

Basalzellkarzinome sollten so früh wie möglich behandelt werden. Dabei steht die Operation, bei der möglichst der vollständige Tumor entfernt werden sollte, im Vordergrund. Die chirurgische Therapie kann durch Kälte-, Laser- oder photodynamische Therapie unterstützt werden. Bei ausgeprägten Fällen kann eine Therapie mit Vismodegib erfolgen.

Die Behandlung von Patienten mit einem Medulloblastom besteht aus einer Kombination von operativer Therapie und Chemotherapie. Eine Bestrahlung sollte möglichst vermieden werden, da das Risiko für die darauffolgende Entwicklung von Basalzellkarzinomen im bestrahlten Gebiet erheblich zunimmt.

Kieferzysten können operativ entfernt werden.

Fibrome der Eierstöcke können ebenfalls operativ entfernt werden, wobei die Eierstöcke meist erhalten bleiben können. Bei Fibromen des Herzens ist eine regelmäßige kardiologische Kontrolle in der Regel ausreichend.

Gibt es Maßnahmen zur Früherkennung von Krebserkrankungen?

Maßnahmen zur Früherkennung

Auch bei den Maßnahmen zur Früherkennung richtet sich das Vorgehen nach der Genmutation, d.h. es ist zu unterscheiden, ob die genetische Veränderung in PTCH1 oder SUFU vorliegt.

Träger einer PTCH1-Mutation

  • Dermatologische Untersuchung ab dem 10. Lebensjahr jährlich, ab dem ersten BCC alle 2-3 Monate

  • Basis-Echokardiogramm im Säuglingsalter, falls unauffällig keine weiteren regelmäßigen Echokardiografien nötig

  • Zahnärztliche Untersuchung mit Röntgen des Kiefers alle 12-18 Monate, beginnend mit 8 Jahren

  • Ultraschall der Eierstöcke ab 18 Jahren

  • Wegen des niedrigen Risikos für Medulloblastome: Kein radiologisches Screening, außer bei neurologischen Auffälligkeiten oder Kopfumfangzunahme

Träger einer SUFU-Mutation

  • Wie bei Trägern einer PTCH1-Mutation, aber ohne Röntgen des Kiefers

  • Zusätzliches Medulloblastom-Screening: MRT des Kopfes alle 4 Monate bis zum Alter von 3 Jahren, dann alle 6 Monate bis zum Alter von 5 Jahren

Selbstfürsorge und Selbsthilfe

Worauf sollte ich besonders achten?

Direkte Sonneneinstrahlung sollte so gut wie möglich gemieden werden, um das Risiko für die Entstehung von Basalzellkarzinomen nicht zu erhöhen.

Neurologische Auffälligkeiten können Symptome eines Medulloblastoms sein. Dazu gehören Kopfschmerzen, Schläfrigkeit bis hin zu Bewusstseinsstörungen, morgendliches Erbrechen, Bewegungs- oder Koordinationsstörungen und eine Fallneigung. Falls Sie eines oder mehrere dieser Zeichen bei Ihrem Kind beobachten, sollten Sie dringend einen Arzt aufsuchen.

Selbsthilfegruppen und weitere Informationen