"Neurofibromatose Typ 2" – was ist das?

Die Neurofibromatose Typ 2 (NF2) oder auch zentrale Neurofibromatose ist eine genetische, also eine erbliche Erkrankung, die typischerweise im jungen Erwachsenenalter in Erscheinung tritt und mit der Entwicklung gutartiger Tumoren des Zentralnervensystems einhergeht. Charakteristisch für Patienten mit einer NF2 ist die Ausbildung von gutartigen Tumoren des 8. Hirnnerven, typischerweise beidseits, sogenannten bilateralen vestibulären Schwannomen, früher auch Akustikusneurinome genannt. Da der 8. Hirnnerv das Hören und das Gleichgewicht versorgt, führen diese Tumore zu einem zunehmenden Hörverlust und manchmal auch Gleichgewichtsstörungen oder Gangunsicherheit. Auch andere gutartige Tumore, Hirntumore und spinale Tumore, können auftreten. Eine Sehverschlechterung, ausgelöst durch eine besondere Form der Linsentrübung (juvenile Katarakt), ist ebenfalls charakteristisch. Die NF2 gehört zu den Tumorprädispositionserkrankungen.

Übersicht der Kapitel auf dieser Seite:

  • Wie hoch ist das Krebsrisiko?

  • Was ist über die Entstehung bekannt?

  • Gibt es eine Therapie?

  • Medizinische Maßnahmen zur Früherkennung

  • Neurofibromatose Typ 2 – was Sie selber tun können
  • Links (z.B. von Selbst­hilfe­gruppen) und weitere Informationen
  • Wie hoch ist das Krebsrisiko?

  • Was ist über die Entstehung bekannt?

  • Gibt es eine Therapie?

  • Medizinische Maßnahmen zur Früherkennung

  • Neurofibromatose Typ 2 – was Sie selber tun können
  • Links (z.B. von Selbsthilfegruppen) und weitere Informationen

Wie wird die Diagnose "Neurofibromatose Typ 2" gestellt?

Manchester Kriterien für die Diagnose einer NF2

Anhand der nachfolgenden Kriterien kann eine NF2 klinisch diagnostiziert werden:

  • Beidseitige Vestibularis-Schwannome (VS)
    oder
    eine positive Familienanamnese für NF2 (Verwandte:r ersten Grades= Eltern, Geschwister, Kinder)
    plus
  • Einseitiges VSy
    oder
    2 der folgenden Merkmale: Meningeome/Gliome/Neurofibrome/Schwannome/juvenile Katarakte

Klinische Zeichen

Oftmals sind ein Tinnitus (Ohrensausen) und eine zunehmende Hörminderung im jungen Erwachsenenalter die ersten Symptome, die zu einem Arztbesuch führen. Gleichgewichtsstörungen, Gangunsicherheit, Kopfschmerzen und Taubheitsgefühl bis zur Lähmung eines Gesichtsnervs werden ebenfalls beschrieben.

Etwa 30% der Patient:innen entwickeln die Symptome in der späten Kindheit. In diesem Alter werden Erstsymptome häufiger durch gutartige Tumore der Hirnhäute (Meningen) verursacht (sogenannte Meningeome). Ferner kann eine durch Schwannome verursachte Schädigung eines Nervs zu Schmerzen oder Funktionsverlust führen. Manchmal führt auch die Sehschwäche durch die jugendliche Linsentrübung (juvenile Katarakt) als erstes Anzeichen zur Diagnose.

Die klinischen Zeichen sind sehr variabel und können dezent sein, zumeist treten die ersten Symptome erst im jungen Erwachsenenalter auf. Nachfolgend sind typische Befunde aufgelistet:

  • Hauttumore, die bei etwas über zwei Drittel aller Patient:innen zu finden sind. Es handelt sich dabei überwiegend um Schwannome, selten werden auch Neurofibrome berichtet. Diese Tumore präsentieren sich in drei Formen:
    • Plaque-artige Schwannome innerhalb der Haut, leicht erhaben, pigmentiert (mehr Farbe), und vermehrt behaart
    • Knotige Tumore unterhalb der Haut, die als spindelförmige derbe Schwellung auffallen können
    • Neurofibrome, die sich direkt in der Haut befinden
  • Die für die NF1 typischen milchkaffeefarbenen unregelmäßig begrenzten Café-au-lait-Flecken (CALF) werden auch bei der NF2 häufiger als bei gesunden Menschen gefunden, jedoch weit weniger ausgeprägt als in NF1.
  • Schwannome, Neurofibrome, Meningeome und Gliome sind gutartige Tumore, die von Zellen ausgehen, die den Nerven umgebenden, ihn schützen, isolieren und ernähren, den sogenannten Nervenscheiden.
  • Die juvenile subkapsuläre Linsentrübung (Katarakt) ist eine bereits im Jugendalter auftretende besondere Form der Linsentrübung, die zu einer Sehverschlechterung führen kann.

Wie hoch ist das Krebsrisiko?

Typisch ist die Entwicklung gutartiger Nervenscheidentumore, vorrangig Schwannome, die klassischerweise beidseits entlang den 8. Hirnnerven wachsen und zu Tinnitus (Ohrensausen), Hörverlust und Gleichgewichtsstörung führen können. Diese Nervenscheidentumore wachsen auch in anderen Bereichen, z.B. entlang peripherer Nerven in der Haut oder im Zentralnervensystem, im Gehirn oder entlang des Rückenmarks. Weitere gutartige Tumore des Nervensystems kommen vor, sogenannte Meningeome, Astrozytome und auch niedriggradige Ependymome, die spinal, also im Wirbelsäulenkanal gelegen, Schmerzen und neurologische Ausfälle bedingen und zu Gangunsicherheit führen können. Dabei entspricht etwa die Hälfte dieser Befunde einer Zufallsdiagnose und verursacht meist keine Symptome.

Neurofibromatose Typ 2 – was ist über die Entstehung bekannt?

Die Neurofibromatose Typ 2 ist eine genetische Erkrankung, die durch eine Mutation, eine Veränderung im Erbgut, entsteht. Das betroffene Gen kodiert für ein Eiweiß, das Merlin, manchmal auch Schwannomin genannt. Merlin kommt vor allem in Nervengeweben vor und fungiert als Tumorunterdrücker, es wirkt also der Tumorentstehung durch Wachstumshemmung entgegen.

Die NF2 tritt bei etwa 1 von 25-33:000 Menschen auf. Etwas mehr als ein Drittel der Erkrankungen wird vererbt und von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben; der Erbgang ist dabei autosomal-dominant. Das heißt, dass die Wahrscheinlich für eine Krankheitsweitergabe (Vererbung) 50% ist. Etwas weniger als 2/3 der Erkrankungen liegt eine Spontan- oder Neumutation, man nennt das eine de novo Mutation, zu Grunde. Das heißt, die Genveränderung ist im Patient:innen selbst neu entstanden.

Eine genetische Testung ist möglich und wird zur Diagnosesicherung für alle Individuen mit der klinischen Diagnose und für alle Patient:innen mit NF2 typischen Tumoren (Meningeome, Schwannome) empfohlen. Eine genetische Untersuchung von möglicherweise betroffenen aber nicht symptomatischen Familienangehörigen ist ab dem 10.-12. Lebensjahr angeraten.

Gibt es eine Therapie?

Bei wachsenden Vestibularisschwannomen (VS) und drohendem Hörverlust gelten Operation und Bestrahlung als Therapieoption, wenn das Risiko einer zunehmenden Schädigung durch den Tumor selbst größer ist als das Risiko der Operation oder Bestrahlung. Bei Kindern ist von einer Bestrahlung, wenn möglich, abzusehen, da das Risiko der Entwicklung sogenannter Zweittumore besteht. Bei rasch wachsenden VS werden mit einem in Deutschland in dieser Indikation noch nicht zugelassenen Medikament, dem Bevacizumab (Handelsname Avastin) derzeit sehr gute Behandlungserfolge erzielt. Bei Ertaubung kann ein Hirnstamm- oder Cochlearimplantat erwogen werden.

Diagnose Neurofibromatose Typ 2. Wie geht es weiter?

Nach der Diagnose wenden Sie sich bitte unbedingt an eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem geben wir Ihnen ein paar Tipps, was Sie selber tun können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte jederzeit an uns oder Ihren behandelnden Arzt oder Ihre behandelnde Ärztin.

Diagnose Neurofibromatose Typ 2. Wie geht es weiter?

Nach der Diagnose wenden Sie sich bitte unbedingt an eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem geben wir Ihnen ein paar Tipps, was Sie selber tun können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte jederzeit an uns oder Ihren behandelnden Arzt oder Ihre behandelnde Ärztin.

Medizinische Maßnahmen zur Früherkennung

Das Ziel ist das frühzeitige Erkennen sich entwickelnder Komplikationen, um möglichst optimale Behandlungsergebnisse zu erlangen. Dafür sind regelmäßige ärztliche Vorstellungen empfohlen (Untersuchungsempfehlungen der AACR 2016):

  • Jährlich Anamnese und klinische Kontrolle, Audiometrie (Ton- und Sprachaudiometrie)
  • Jährlich Schädel-MRT (im Jahr der Diagnose 2x/Jahr empfohlen, um Tumorwachstumsrate zu erfassen) ab dem 10. Lebensjahr (früher bei Hochrisiko-Genotyp und klinischen Symptomen)
  • Spinale MRT ab 10. Lebensjahr alle 2-3 Jahre (sobald Tumorwachstum erkannt wurde, erste Kontrolle nach 6 Monaten empfohlen, um Tumorwachstumsrate zu erfassen)
  • Ganzkörper-MRT erwägen
  • Keine Empfehlung für Routine-Screening mit F-FDG-PET/CT oder MRT bei fehlenden Symptomen

Neurofibromatose Typ 2 – was Sie selber tun können

Darauf sollten Sie achten

Wenn Sie den Eindruck haben, Ihr Kind hört auf einem oder beiden Ohren schlechter, wenn es vermehrt über Kopfschmerzen klagt, morgendliche Übelkeit angibt, nach kurzem Lesen schnell ermüdet oder ein Taubheitsgefühl oder eine Lähmung im Gesicht (Asymmetrie der Gesichtszüge) beklagt, eine Fallhand oder Fußheberschwäche bemerkt wird, vereinbaren Sie bitte einen Termin bei Ihrem:Ihrer betreuenden Augenärzt:in, Kinderärzt:in oder in einer NF-Spezialambulanz.

Weitere Informationen

Außerdem können sich Patient:innen jederzeit für das KPS-Register anmelden oder dies durch die betreuenden Ärztinnen und Ärzte vornehmen lassen.

Weitere Fragen?

Wir sind für Sie per E-Mail und telefonisch erreichbar. Zudem können Sie persönlich in unsere Sprechstunden kommen. Weitere Informationen entnehmen Sie am besten unserer Kontaktseite.