Was ist die Dyskeratosis congenita?
Die Dyskeratosis congenita (DC) ist eine genetische Erkrankung, die typischerweise durch Nagelveränderungen, Mundschleimhautveränderungen und Pigmentstörungen im Hals-, Brust- und Rückenbereich charakterisiert ist. Es besteht ein erhöhtes Risiko für ein voranschreitendes Versagen der Blutbildung und die Entwicklung von Krebs und Lungenveränderungen. Das Erscheinungsbild ist variabel und oftmals fehlen einige der genannten Symptome.
Wie wird die Diagnose Dyskeratosis congenita gestellt?
Klinische Präsentation
Die klassische DC Diagnose-Trias, die nicht bei allen DC-Patienten vorliegt, besteht aus:
Nagelveränderungen (Wachstums- und Ernährungsstörungen von Finger- und Fußnägeln)
Mundschleimhautveränderungen mit flächig weißlichen Belägen (orale Leukoplakie)
Pigmentstörungen im Hals-, Brust- und Rückenbereich
Patienten mit einer DC haben ein erhöhtes Risiko der Entwicklung eines voranschreitenden Knochenmarkversagens. Bösartige Erkrankungen der weißen Blutkörperchen (insbesondere das myelodysplastische Syndrom und die akute myeloische Leukämie) und bösartige Schleimhautveränderungen im Kopf- und Halsbereich und der Genitalregion kommen gehäuft vor. Die häufigste Lungenveränderung heißt pulmonale Fibrose und entspricht einer Lungengewebsveränderung. Weitere Befunde sind Pigmentveränderungen an der Haut, Augen- und Zahnveränderungen.
Klinische Befunde im Detail:
Voranschreitendes Knochenmarkversagen mit gestörter Blutproduktion: Thrombopenie, Leukopenie, Anämie (50% bis zum 40. Lebensjahr)
Lungenveränderungen, hier vor allem die pulmonale Fibrose (65%)
Leberveränderungen
Haut- und Nagelveränderungen
Wachstums- & Entwicklungsverzögerung (Kleinwuchs)
Auge: Tränenträufeln, abnormes Wimpernwachstum, beidseitige Netzhauterkrankungen
HNO: Flächige weißliche Mundschleimhautveränderungen (orale Leukoplakie), Taubheit (selten)
Herz-Kreislauf: Herzfehler und Herzmuskelerkrankungen
Magen-Darm-Trakt: Zum Beispiel Verengung der Speiseröhre, krankhafte Veränderungen der Schleimhaut im gesamten MDT
Urogenitaltrakt: Verengung der Harnröhre (Urethralstenose)
Bewegungs- und Stützapparat: Knochendichteminderung, Knochendurchblutungsstörung in Schulter und Hüfte
Psychiatrie: Schizophrenie
Hormonhaushalt: Funktionsstörung der Keimdrüsen (Hypogonadismus)
Immunologie: Infektionsabwehrschwäche
Verlaufsformen der Dyskeratosis congenita
Es gibt 2 schwere Verlaufsformen der Dyskeratosis congenita, die sich wie nachfolgend beschrieben präsentieren:
Hoyeraal-Hreidarsson-Syndrom: Frühkindlicher Beginn, zusätzlich zu den klassischen DC-Merkmalen Unterentwicklung des Kleinhirns, Entwicklungsrückstand, Immunschwäche, vorgeburtliche Wachstumsverzögerung, Knochenmarkversagen
Révész-Syndrom: Frühkindlicher Beginn, zusätzlich zu den Merkmalen der DC beidseitige Netzhauterkrankung des Auges, Kalzifikationen im Zentralnervensystem, vorgeburtliche Wachstumsverzögerung, Knochenmarkversagen, schütteres dünnes Haar, Nagelveränderungen, Mundschleimhautveränderung
Genetische Diagnostik
Die Diagnose der DC kann bei charakteristischer klinischer Präsentation und der Bestätigung in der Laboranalyse gestellt werden. Eine kurze Lymphozyten-Telomerlänge deutet bei passenden Symptomen stark auf das Vorliegen einer DC hin. Bei einigen Patienten gelingt zudem auch der Nachweis eines Fehlers in einem der vielen DC-Gene. Hier sind aber noch nicht alle Gene bekannt.
Wie hoch ist das Krebsrisiko?
Das Risiko für eine maligne Erkrankung ist 11-fach erhöht im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung. Das Auftreten wird besonders ab der 3. Lebensdekade beobachtet.
Die häufigsten bösartigen Erkrankungen betreffen die weißen Blutzellen (Myeloische Neoplasien: Myelodysplastisches Syndrom, akute myeloische Leukämie) und Tumore des Kopf-Halsbereichs, Magendarmtraktes und Anogenitalbereichs (Plattenepithel-Karzinome und Adenokarzinome).
Wodurch entsteht die Dyskeratosis congenita?
Die Dyskeratosis congenita ist eine Telomererkrankung. Telomere befinden sich am Ende der Chromosomen, die unsere genetischen Informationen tragen, und sind für die chromosomale Stabilität und damit für den Schutz unserer genetischen Informationen verantwortlich. Bei gestörten Telomeren können unsere Stammzellen sich nicht gut teilen. Hierdurch kommt es zu vielfältigen Symptomen.
Gibt es eine Therapie?
Die Behandlung basiert vor allem auf der möglichst frühzeitigen Diagnose von Krebsvorstufen. Die Behandlung erfolgt analog der entsprechenden Therapie-Empfehlung. Eine Androgentherapie und eine Knochenmarktransplantation können bei Knochenmarkversagen erwogen werden.
Gibt es Maßnahmen zur Früherkennung von Krebserkrankungen?
Maßnahmen zur Früherkennung
Evidenzbasierte Standards für ein Tumorscreening und klinisches Management fehlen aufgrund der Seltenheit der Erkrankung. Nachfolgend finden Sie eine Empfehlung aus dem Konsensus-Meeting der AACR von Oktober 2016:
Hämato-Onkologie: Jährliches Blutbild, jährliche Knochenmarkpunktion und -stanzbiopsie bei Diagnose und entsprechend klinischer Symptome, frühzeitige Überweisung in ein Transplantationszentrum, HPV-Impfung, jährliche HNO-Kontrollen ab Adoleszenz (Tumor-Früherkennung)
Immunologie: Überwachung der Immunglobuline entsprechend immunologischer Empfehlungen
Dermatologie: Jährliche Hautuntersuchung
Pulmonologie: Funktionstestung bei Diagnose mit regelmäßigen Verlaufskontrollen
Gastroenterologie: Jährliche Leberfunktionstestung, unter Androgentherapie häufiger (halbjährlicher Ultraschall der Leber, Leberfunktionstestung 3-monatlich)
Endokrinologie: Jährlicher Diabetestest, Wachstumsüberwachung
Neurologie: MRT des Kopfes bei Diagnose, frühzeitige Unterstützung bei Entwicklungsretardierung
Auge: Jährliche Untersuchungen, Überwachung und frühzeige Behandlung bei Tränengangstenose
Orthopädie: Untersuchung von Hüfte und Schulter nach klinischer Symptomatik (aseptische Knochennekrosen)
Zahnarzt: Halbjährliche Kontrollen
HNO: Hörstatus bei Diagnose
Kardiologie: Untersuchung auf Malformationen bei Diagnose
Urogenitaltrakt: Untersuchung auf urogenitale Fehlbildungen bei Diagnose
Gynäkologie: Jährliche Untersuchung
Selbstfürsorge und Selbsthilfe
Worauf sollte ich besonders achten?
Monatliche orale Selbstkontrolle auf Schleimhautveränderungen
Kanzerogene Noxen meiden (Nikotin, Alkohol)
Therapie entsprechend der Manifestation