Gorlin-Syndrom – Definition
Das Gorlin-Syndrom (OMIM #109400) ist ein seltenes Krebsprädispositionssyndrom, beruhend auf Mutationen im PTCH1– oder SUFU-Gen, welches u.a. zu früh auftretenden Basalzellkarzinomen (BCC) und Medulloblastomen sowie Kieferzysten oder Skelettanomalien führen kann.
Synonyme:
Gorlin-Goltz-Syndrom, Nevoid basal cell carcinoma syndrome (NBCCS), Basalzellnävus-Syndrom (BCNS)
Gen:
PTCH1 (Patched1) und SUFU (Suppressor of fused)
Genprodukte:
Protein patched homolog 1 (PTCH1) und Suppressor of fused homolog (SUFU)
Funktion:
Teil des Sonic-Hedgehog-Signalwegs (SHH)
Erbgang:
autosomal-dominant
Prävalenz:
Prävalenz
Genotyp-Phänotyp-Korrelation:
Das Risiko für die Entwicklung von Medulloblastomen ist bei Vorliegen einer SUFU-Mutation deutlich höher als bei dem Vorliegen einer PTCH1-Mutation. Dagegen ist die Inzidenz für Basalzellkarzinome bei Trägern einer SUFU-Mutation geringer als bei Trägern einer PTCH1-Mutation. Odontogene Keratozysten werden ebenfalls vorrangig bei Trägern einer PTCH1-Mutation beschrieben.
Penetranz:
Nahezu 100% (dies bezieht sich auf das Syndrom und nicht auf die Entwicklung einer Neoplasie)
Gorlin-Syndrom – Diagnosestellung
Die Diagnose gilt als gesichert, wenn folgende Konstellation vorliegt:
- 2 Major-Kriterien und 1 Minor-Kriterium oder 1 Major-Kriterium und 3 Minor-Kriterien
- Nachweis einer heterozygoten Keimbahnmutation in PTCH1 oder SUFU
Reihenfolge der genetischen Testung:- Sequenzanalyse von PTCH1
- Deletions-/Duplikationsanalyse von PTCH1
- Sequenzanalyse von SUFU
- Deletions-/Duplikationsanalyse von SUFU
- RNA-Analyse von PTCH1
Major-Kriterien
- Multiple Basalzellkarzinome (> 5) oder ein Basalzellkarzinom vor dem 30. Lebensjahr
- Erstgradig Verwandter mit BCC
- Lamelläre Kalzifikation der Falx cerebri vor dem 20. Lebensjahr
- Odontogene Keratozysten
- Palmare/plantare Keratose (zwei oder mehr)
Minor-Kriterien
- Medulloblastom des Kindesalters
- Lympho-mesenteriale oder pleurale Zysten
- Makrozephalie (Kopfumfang > 97. Perzentile)
- Lippen-/Gaumenspalte
- Wirbelkörper-/Rippenanomalien
- Prä- oder postaxiale Polydaktylie
- Ovariale oder kardiale Fibrome
- Okuläre Anomalie (Katarakt, Entwicklungsdefekte, retinale Pigmentveränderungen)
Zur Diagnosesicherung ist folgende radiologische Diagnostik üblicherweise erforderlich:
- Röntgen-Schädel a.p. und lateral
- Orthopantomogramm
- Röntgen-Thorax
- Röntgen-Wirbelsäule
Blutsverwandte Familienmitglieder einer Person mit nachgewiesener PTCH1– oder SUFU-Mutation sollten aufgrund des frühen Auftretens v.a. von Medulloblastomen so früh wie möglich genetisch hinsichtlich des Vorliegens einer PTCH1– und/oder SUFU-Mutation getestet werden.
In der Kinderonkologie sollte insbesondere bei Patienten mit SHH-aktiviertem Medulloblastom ein Gorlin Syndrom ausgeschlossen werden, auch wenn weitere Merkmale des Syndroms fehlen.
Differentialdiagnosen
Makrozephalie | Sotos-Syndrom, Beckwith-Wiedemann-Syndrom, isolierter Hydrozephalus, isolierte Megalenzephalie |
Basalzellkarzinom | Brooke-Spiegler-Syndrom, Basex-Syndrom, Rombo-Syndrom |
Medulloblastom | 9q22.3-Mikodeletions-Syndrom |
Klinische Präsentation
< Tabelle seitlich verschiebbar >
Klinische Manifestation |
Frühestes Auftreten |
Makrozephalie (Kopfumfang > 97. Perzentile) | ab Geburt |
Kongenitale Malformationen
|
ab Geburt |
Grobmotorische Entwicklungsverzögerung | ab Geburt |
Gesichtsanomalien (Balkonstirn, grobe Gesichtszüge, Milien) | ab Geburt |
Skelettale Anomalien (z. B. Gabelrippen, Keilwirbel) | ab Geburt |
Medulloblastom | 1-2 Jahre |
Kalzifikation der Falx cerebri | meist ab 20. Lebensjahr |
Odontogene Keratozysten (meist mandibulär) | ab 10. Lebensjahr; (4 Jahre), selten nach dem 30. Lebensjahr |
Basalzellkarzinome (meist Gesicht, Rücken, Nacken) | ab 20. Lebensjahr; (2 Jahre) |
Palmo-plantar-Keratosen | ab 20. Lebensjahr |
Weitere Hautmanifestationen: Chalazion, Atherom, Dermoidzyste | |
Weitere Tumore
|
tumorabhängig:
ab Geburt |
< Tabelle seitlich verschiebbar >
Besonderheiten bei der Behandlung
Der Einsatz von Radiotherapie führt zu einem massiv erhöhten Risiko für die Entwicklung von Basalzellkarzinomen und sollte daher nur angewandt werden, wenn keine alternative Therapie zur Verfügung steht. Bestrahlte Hautareale sollten dann möglichst klein sein.
Daneben sollte Röntgendiagnostik sparsam eingesetzt werden.
Patient:innen mit Gorlin-Syndrom sollten direkte Sonneneinstrahlung so gut wie möglich meiden.
Diagnose Gorlin-Syndrom. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von betroffenen Patient:innen durch eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.
Diagnose Gorlin-Syndrom. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von betroffenen Patient:innen durch eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.
Empfehlungen zur Früherkennung bei Ihren Patient:innen
Träger:innen einer PTCH1-Mutation
- Dermatologische Untersuchung ab dem 10. Lebensjahr jährlich, ab dem ersten BCC alle 2-3 Monate
- Basis-Echokardiogramm im Säuglingsalter, falls unauffällig keine weiteren regelmäßigen Echokardiografien nötig
- Zahnärztliche Untersuchung mit Röntgen des Kiefers alle 12-18 Monate, beginnend mit 8 Jahren
- Ovarialsonographie ab 18 Jahren
- Wegen des niedrigen Risikos für Medulloblastom: kein radiologisches Screening, außer bei neurologischen Auffälligkeiten oder Kopfumfangzunahme
Träger:innen einer SUFU-Mutation
- Wie bei Träger:innen einer PTCH1-Mutation, aber ohne Röntgen des Kiefers
- Zusätzliches Medulloblastom-Screening: Kraniale MRT alle 4 Monate bis zum Alter von 3 Jahren, dann alle 6 Monate bis zum Alter von 5 Jahren.