Kardiofaziokutanes Syndrom – Definition
Das Kardiofaziokutane Syndrom (Cardiofaciocutanes Syndrom, CFC-Syndrom) gehört zum Formenkreis der RASopathien und beruht auf genetischen Mutationen in vier verschiedenen Genen: BRAF (CFC1, OMIM #115150), KRAS (CFC2, OMIM #615278), MAP2K1 (CFC3, OMIM #615279) und MAP2K2 (CFC4, OMIM #615280). Klinisch ist es gekennzeichnet durch verschiedene Herzfehler, eine charakteristische Fazies, kutane Auffälligkeiten, muskuloskelettale und neurologische Anomalien sowie eine Entwicklungsverzögerung.
Synonyme:
CFC-Syndrom
Gen:
BRAF (ca. 75%), KRAS (ca. 2%), MAP2K1 (ca. 25%), MAP2K2 (ca. 25%)
Genprodukte:
Serin/Threonin-Proteinkinase B-raf (BRAF)
GTPase KRas (KRAS)
Dual specificity mitogen-activated protein kinase kinase 1 (MAP2K1)
Dual specificity mitogen-activated protein kinase kinase 2 (MAP2K2)
Funktion:
Teile des RAS/MAPK-Signalweges
Erbgang:
Autosomal-dominant, aber oft de novo Mutationen
Prävalenz:
Die allgemeine Prävalenz ist nicht bekannt. Wahrscheinlich gibt es weltweit einige hundert Betroffene mit CFC-Syndrom. In Japan liegt die Prävalenz bei etwa 1:810.000.
Genotyp-Phänotyp-Korrelation:
50% der CFC-Patienten mit BRAF-Mutation haben eine Pulmonalstenose (dagegen nur 37% der CFC-Patienten mit MAP2K1/MAP2K2-Mutationen).
Patienten mit der BRAF-Mutation p.Gln257Arg (häufigste Mutation bei CFC-Syndrom) zeigen ein sehr ausgeprägtes phänotypisches Bild.
Patienten mit MAP2K1– und MAP2K2-Mutation neigen eher zu einer Keratosis pilaris und progressiveren Nävi als Patienten mit BRAF-Mutation.
Penetranz:
komplett
Kardiofaziokutanes Syndrom – Diagnosestellung
Bisher liegen keine Diagnosekriterien für das CFC-Syndrom vor, so dass in der Regel eine Verdachtsdiagnose aufgrund auffälliger klinischer Befunde gestellt und durch genetische Diagnostik bestätigt wird.
Verdachtsdiagnose
Der Verdacht auf ein CFC-Syndrom besteht bei dem Vorliegen folgender Befunde:
Kardial:
- Pulmonalstenose
- Atriumseptumdefekt
- Ventrikelseptumdefekt
- Hypertrophe Kardiomyopathie
- Herzklappenfehler (Mitral- oder Trikuspidalklappendysplasie, bikuspide Aortenklappe)
- Rhythmusstörungen
Kraniofazial:
- Makrozephalie
- Hohe und breite Stirn und bitemporale Impressionen
- Hypoplasie des Arcus supraorbitalis (Überaugenwulst)
- Spärliche oder fehlende Augenbrauen
- Hypertelorismus und abfallende Lidspalten
- Okuläre Anomalien: Strabismus, Nystagmus, Myopie, Hyperopie, Ptosis, Astigmatismus)
- Kurze Nase mit eingesunkener Nasenwurzel und antevertierten Nasenlöchern
- Prominentes und breites Philtrum, gotischer Gaumen
- Tief-sitzende, nach hinten rotierte Ohren
Ektodermal:
- Haut: Xerose, Hyperkeratose palmoplantar sowie an Armen, Beinen und Gesicht, Ichthyose, Keratosis pilaris, Ekzeme, Hämangiome, Café-au-lait-Flecken, Erytheme, Pigmentflecken
- Haare: spärliche, krause, dünne oder dicke, wollige oder brüchige Haare; spärliche oder fehlende Augenbrauen und Wimpern
- Nägel: Dystrophe, flache, breite Nägel; schnelles Nagelwachstum
Weitere Auffälligkeiten:
- Muskuloskelettal: kurzer Hals, Pterygium colli, deformierter Brustkorb, Kyphose, Skoliose, Pes planus
- Neurologie: v.a. milde bis schwere psychomotorische Retardierung und muskuläre Hypotonie
- Gastroenterologie: Gedeihstörung, gastroösophagealer Reflux, Erbrechen, orale Aversion und Obstipation
- Kleinwuchs
Genetische Diagnostik
Die Diagnose „CFC-Syndrom“ wird gesichert durch den Nachweis einer heterozygoten Keimbahnmutation im BRAF-, KRAS-, MAP2K1– oder MAP2K2-Gen. Dabei sollten zunächst Panel-Untersuchungen (RASopathien/Noonan-Spektrum) genutzt werden. Falls diese nicht verfügbar sind, kann eine serielle Einzelgen-Testung mit Sequenz-Analyse erfolgen in der Reihenfolge BRAF, MAP2K1, MAP2K2 und schließlich KRAS. Sollte diese keine Mutation zeigen, kann eine gezielte Deletions-/Duplikationsanalyse oder ein CGH-Array durchgeführt werden. Auch die Durchführung einer Exom- oder Genomsequenzierung kann in Erwägung gezogen werden.
Differentialdiagnosen
- Costello-Syndrom
- Noonan-Syndrom
Klinische Präsentation
Das CFC-Syndrom tritt beim männlichen und weiblichen Geschlecht gleichverteilt auf.
Pränatal- und Neonatalperiode
In der Pränatalperiode besteht in den meisten Fällen ein Polyhydramnion. Bei Neugeborenen fällt bereits die charakteristische Fazies (siehe „Diagnose“) auf, ebenso treten kardiale Anomalien in der Regel schon bei Geburt in Erscheinung. Auch Fütterungsschwierigkeiten können ein Problem in der Neonatalperiode darstellen.
Säuglingsalter
Im Säuglingsalter können weiterhin große Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme bestehen, die eine Nahrungszufuhr über eine nasogastrale Sonde oder ein Gastrostoma erforderlich machen. Daneben können ein gastroösophagealer Reflux sowie Obstipationen bestehen. Insgesamt kann daraus eine Gedeihstörung resultieren.
Bei allen Kindern mit CFC-Syndrom tritt eine neurologische Auffälligkeit in Form einer psychomotorischen Entwicklungsverzögerung mit muskulärer Hypotonie und verspäteter Sprachentwicklung oder Lernschwäche auf. Dabei kann die Intensität von einer milden bis zu einer hochgradig schweren Ausprägung reichen, einige Patienten weisen einen normalen IQ auf.
Kindes- und Jugendalter
Folgende Manifestationen können in diesem Alter auftreten:
- Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme
- Kleinwuchs: bei fast allen Kindern und Jugendlichen mit CFC-Syndrom
- Psychomotorische Entwicklungsverzögerung verschiedener Ausprägungsgrade von mild bis sehr schwer, betrifft vor allem Motorik und Sprache
- Krampfanfälle: Etwa 50% der CFC-Patienten leiden unter Krampfanfällen, die meist im Säuglingsalter oder in der frühen Kindheit erstmalig auftreten, sich jedoch auch erst in der späteren Kindheit entwickeln können.
- HNO: rezidivierende Otitiden und verengter äußerer Gehörgang
- Auge: Strabismus, Nystagmus, Hypoplasie des Nervus opticus, Astigmatismus, Myopie oder Hyperopie
- Herz: Bei 75-80% der CFC-Patienten treten kardiale Manifestationen auf wie eine hypertrophe Kardiomyopathie, strukturelle Anomalien und seltener Rhythmusstörungen.
- Niere/Urogenitaltrakt: bei bis zu 33% der CFC-Patienten als Kryptorchismus bei männlichen Patienten sowie Nierenzysten und -steinen, Hydronephrose und Hydroureter
- Blut: Von-Willebrand-Syndrom ist beschrieben.
- Haut: Xerose und follikuläre Hyperkeratose verbessern sich mit zunehmendem Alter, so dass zunehmend ein Haarwachstum möglich ist. Palmoplantare Hyperkeratose und Lymphödeme nehmen mit dem Alter zu. Nävi werden im Verlauf zahlreicher. Daneben besteht eine Neigung zu schweren Hautinfektionen.
- Muskuloskelettal: Bei der Mehrheit der CFC-Patienten findet sich eine muskuläre Beteiligung in Form einer Hypotonie mit reduzierter Muskelmasse und hyperelastischen Gelenken. Skelettale Veränderungen können Brustkorbdeformitäten, Skoliose oder Kyphose sein oder sich in einem eingeschränkten Gang äußern.
- Erscheinungsbild: Die charakteristische Fazies (siehe „Diagnose“) wird mit zunehmendem Alter weniger auffällig.
- Neoplasien: Diese treten im Rahmen eines CFC-Syndroms selten auf. Bisher wurde von akuter lymphatischer Leukämie (ALL), Hepatoblastom, Lymphomen und Rhabdomyosarkom berichtet.
Besonderheiten bei der Behandlung
Im Hinblick auf die Vielzahl möglicher Manifestationen sollte die Therapie stets symptomorientiert und interdisziplinär unter Beteiligung der entsprechenden Fachdisziplin erfolgen.
Die im Rahmen eines CFC-Syndroms auftretenden Manifestationen werden in der Regel entsprechend derer behandelt, die sporadisch auftreten.
Diagnose Kardiofaziokutanes Syndrom. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von betroffenen Patient:innen durch eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.
Diagnose Kardiofaziokutanes Syndrom. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von betroffenen Patient:innen durch eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.
Empfehlungen zur Früherkennung bei Ihren Patient:innen
Es sollten regelmäßig klinische Untersuchungen durchgeführt werden, die gastroenterologische Auffälligkeiten, Wachstum, kognitive Entwicklung und muskuloskelettale Veränderungen erfassen.
Daneben sollten regelmäßig kardiologische, neurologische, HNO- und augenärztliche sowie dermatologische Untersuchungen durchgeführt werden.
Das Bewusstsein für ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Neoplasien sollte bei den Patient:innen geschaffen werden. Eine gezielte Krebsfrüherkennung wird nicht empfohlen.