MUTYH-assoziierte Polyposis – Definition
Die MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP, OMIM #608456) ist eine genetische Erkrankung, die auf einer biallelischen pathogenen Variante des MUTYH-Gens beruht und für das kolorektale Karzinom prädisponiert. Karzinome sowie typischerweise auftretende adenomatöse Kolonpolypen (zwischen 10 und einigen hundert) treten in der Regel erst im Erwachsenenalter auf. Daneben besteht ebenfalls ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Duodenalpolypen sowie eines Duodenalkarzinoms. Auch extraintestinale Manifestationen sind möglich.
Synonyme:
Familiäre adenomatöse Polyposis 2 (FAP2)
Kolorektale adenomatöse Polyposis, autosomal-rezessiv
Multiple kolorektale Adenome, autosomal-rezessiv
Gen:
MUTYH
Genprodukte:
MUTYH
Funktion:
Adenin-DNA-Glykolsylase, ein DNA-Reparaturenzym (Basenexzisionsreparatur)
Ein Defekt führt zu einer Akkumulation von G:C>T:A Transversionen, was postreplikativ zu einem Stop-Codon in der mRNA führt und damit zu einer Fehlfunktion des Proteins.
Erbgang:
autosomal-rezessiv
Prävalenz:
1-2% der nordeuropäischen Population sind heterozygot für eine pathogene MUTYH-Variante.
Die Prävalenz für biallelische pathogene MUTYH-Varianten liegt bei etwa 1:20.000-1:40.000.
Genotyp-Phänotyp-Korrelation:
Patientinnen und Patienten mit homozygoter pathogener c.536A>G-Variante haben ein höheres Risiko für einen schwereren Krankheitsverlauf und ein früheres Auftreten (etwa 8 Jahre früher) der Erkrankung als Betroffene mit homozygoter pathogener c.1187G>A-Variante.
Penetranz:
für kolorektales Karzinom hoch, aber inkomplett (Lebenszeitrisiko 43%-100%)
für kolorektale Polypen unbekannt, wahrscheinlich inkomplett (etwa ein Drittel der Betroffenen mit kolorektalem Karzinom weist keine Polypen auf)
MUTYH-assoziierte Polyposis – Diagnosestellung

Verdachtsdiagnose
Der Verdacht auf eine MUTYH-assoziierte Polyposis besteht bei folgenden Befunden:
Klinisch:
- Kolonadenome und/oder hyperplastische/serratierte sessile Polypen in einer Anzahl von:
- 1-10 (im Alter <40 Jahre)
- 10 (im Alter 40-60 Jahre)
- 20 (im Alter >60 Jahre)
- 20 bis mehrere hundert Kolonadenome und/oder hyperplastische/serratierte sessile Polypen
- Polyposis coli (z.B. >100 Kolonpolypen) ohne heterozygote pathogene APC-Keimbahnvariante
- Kolorektales Karzinom im Alter <40 Jahre
- Positive Familienanamnese für Kolonkarzinom (± Polypen) vereinbar mit einem autosomal-rezessiven Erbgang
Histologisch/molekulargenetisch:
- Somatische pathogene KRAS-Variante in kolorektalem Karzinom
- Mikrosatelliten-Instabilität in kolorektalem Karzinom
Genetische Diagnostik
Die Diagnose „MUTYH-assoziierte Polyposis“ wird gesichert durch den Nachweis einer biallelischen pathogenen Variante des MUTYH-Gens durch Sequenzanalyse und ggf. darauffolgende Deletions-/Duplikationsanalyse. Auch der Einsatz von Panel-Untersuchungen, in denen mehrere Gene erfasst werden, kann sinnvoll sein.
Differentialdiagnosen
- APC-assoziierte adenomatöse Polyposis
- NTHL1-assoziierte Polyposis
- Hereditäres non-polypöses kolorektales Karzinom (HNPCC), auch Lynch-Syndrom
- Peutz-Jeghers-Syndrom
- Juveniles Polyposis-Syndrom
- PTEN-Hamartom-Tumor-Syndrom, auch Cowden-Syndrom
- Hereditary mixed polyposis syndrome
- Serratiertes Polyposis-Syndrom
Klinische Präsentation

Kolonpolypen
Die Anzahl der auftretenden Kolonpolypen liegt bei Patientinnen und Patienten mit pathogener MUTYH-Variante meist zwischen zehn und einigen hundert. Diese treten durchschnittlich im Alter von 50 Jahren, selten vor dem 30. Lebensjahr auf und können klassische oder serratierte Adenome, hyperplastische/serratierte sessile sowie gemischte (hyperplastische und adenomatöse) Polypen sein.
Kolonkarzinom
Werden keine Früherkennungsmaßnahmen durchgeführt, so liegt das Lebenszeitrisiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms zwischen 43% und 100%. Die Mehrzahl der Karzinome entsteht erst im Erwachsenenalter, so dass sich ein extrem niedriges Risiko für die Entstehung von Kolonkarzinomen im Kindes- und Jugendalter ergibt.
Duodenale Polypen und duodenales Karzinom
Duodenale Polypen finden sich bei 17-25% der Patienten mit pathogener MUTYH-Variante. Das Lebenszeitrisiko für ein duodenales Karzinom liegt bei etwa 4%.
Magenfunduspolypen und Magenkarzinom
Bei 11% der MAP-Betroffenen wurden bei Gastroskopien im Rahmen der Früherkennung Läsionen festgestellt.
Extraintestinale Manifestationen
Die Inzidienz extraintestinaler Malignitäten ist bei Personen mit pathogener MUTYH-Variante etwa doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Bisher beschriebene extraintestinale Manifestationen sind folgende:
- Ovarial-, Blasen-, Mamma-, Endometriumkarzinom
- Haut: Benigne und maligne Tumore der Talgdrüsen, Melanom, Plattenepithelkarzinom, Basalzellkarzinom, benigne Hauttumore
- Schilddrüse: Schilddrüsenkarzinom, multinoduläre Struma, singuläre Schilddrüsenknoten
- Kieferzysten
Besonderheiten bei der Behandlung

Bei suspekten Kolonpolypen sollte eine Polypektomie durchgeführt werden. Liegt eine große Anzahl und eine hohe Dichte der Polypen vor, sollte eine subtotale Kolektomie oder eine Proktokolektomie in Erwägung gezogen werden. Analog zur Therapie der FAP und der AFAP ist eine Kolektomie ebenfalls empfohlen, sobald Adenome auftreten, jedoch kann diese Maßnahme je nach Größe, Histologie und Anzahl der adenomatösen Polypen herausgezögert werden. Wird ein kolorektales Karzinom diagnostiziert, ist eine Kolektomie unumgänglich.
Diagnose MUTYH-assoziierte Polyposis. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von Betroffenen durch eine Spezialistin bzw. einen Spezialisten für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.
Diagnose MUTYH-assoziierte Polyposis. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von Betroffenen durch eine Spezialistin bzw. einen Spezialisten für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.
Empfehlungen zur Früherkennung

Nach den neuesten AACR-Guidelines werden für Patientinnen und Patienten mit MUTYH-assoziierter Polyposis folgende Früherkennungsuntersuchungen empfohlen:
Für Kinder und Jugendliche
Für Kinder und Jugendliche sind keine Früherkennungsmaßnahmen empfohlen.
Für Erwachsene
Je nach Literatur unterscheiden sich die Empfehlungen geringfügig und sollten daher für jede Patientin bzw. jeden Patienten individuell festgelegt werden.
- Koloskopie ab 18-20 Jahren alle 2 Jahre bzw. ab 25-30 Jahren
- Ösophago-Gastro-Duodenoskopie ab 25-30 Jahren alle 1-5 Jahre