PTEN-Hamartom-Tumor-Syndrom – Definition
Das PTEN-Hamartom-Tumor-Syndrom (PHTS, OMIM +601728) umfasst mehrere Erkrankungen, die auf Mutationen im PTEN-Gen beruhen. Diese Erkrankungen sind das Cowden-Syndrom (CS) und das Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom (BRRS). Meist werden auch das PTEN-assoziierte Proteus-Syndrom (PS) sowie das Proteus-like-Syndrom mit eingeschlossen. Klinisch ist das PHTS gekennzeichnet durch Makrozephalie, gastrointestinale Polyposis, Lipome, vaskuläre Malformationen und mentale Retardierung/Autismus-Spektrum-Störung. Daneben besteht eine Prädisposition für zahlreiche maligne Erkrankungen wie Mamma- und Endometriumkarzinom, kolorektales Karzinom, Nierenzellkarzinom, Melanom und Schilddrüsenkarzinom.
Synonyme:
Gen:
PTEN
Genprodukte:
PTEN (Phosphatase and Tensin homolog)
Funktion:
Tumorsuppressor: negative Regulation des PI3K/AKT/mTOR-Signalwegs
Erbgang:
autosomal-dominant
Prävalenz:
für Cowden-Syndrom 1:200.000
Genotyp-Phänotyp-Korrelation:
Missense-Varianten und Mutationen im Bereich der Phosphatase-Region scheinen ≥5 Organe einzubeziehen und damit einen gravierenderen Krankheitsverlauf zu nehmen.
>90% der Familien mit CS/BRRS-Überlappung haben eine PTEN-Mutation.
Penetranz:
nahezu vollständig
Fast alle Patient:innen mit PTEN-Mutation entwickeln mindestens eine Manifestation bis zum jungen Erwachsenenalter.
PTEN-Hamartom-Tumor-Syndrom – Diagnosestellung

Klinische Diagnose: Cowden-Syndrom bei Erwachsenen
Das National Comprehensive Cancer Network (NCCN) gibt folgende Diagnosekriterien an:
Pathognomonische Kriterien:
- Lhermitte-Duclos-Tumoren (LDD, zerebelläres dysplastisches Gangliozytom)
- Mukokutane Läsionen
- Faziale Trichilemmome (benigne Tumore der Haarwurzelscheiden)
- Akrale Keratose
- Papillomatöse Läsionen
- Mukosale Läsionen
Major-Kriterien
- Mammakarzinom
- Epitheliales Schilddrüsenkarzinom (nicht-medullär), v.a. follikulär
- Makrozephalie (Kopfumfang ≥97. Perzentile)
- Endometriumkarzinom
Minor-Kriterien
- Andere Schilddrüsenläsion (z.B. Adenom, Struma multinodosa)
- Mentale Retardierung (IQ ≤75)
- Hamartomatöse intestinale Polypen
- Fibrozystische Mastopathie
- Lipome
- Fibrome
- Urogenitale Tumore (v.a. Nierenzellkarzinom)
- Urogenitale Malformationen
- Uterusmyome
Die klinische Diagnose eines CS kann gestellt werden, sobald eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:
- Pathognomonische mukokutane Läsion kombiniert mit einem der folgenden Befunde
- ≥6 faziale Papeln, von denen ≥3 Trichilemmome sind
- Kutane faziale Papeln und orale mukosale Papillomatose
- Orale mukosale Papillomatose und akrale Kreatose
- ≥6 palmoplantare Keratosen
- ≥2 Major-Kriterien
- 1 Major-Kriterium und ≥3 Minor-Kriterien
- ≥4 Minor-Kriterien
Bei positiver Familienanamnese hinsichtlich CS, kann die klinische Diagnose gestellt werden, sobald eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:
- 1 pathognomonisches Kriterium
- ≥1 Major-Kriterium
- ≥2 Minor-Kriterien
- Positive Anamnese für Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom
Klinische Diagnose: Cowden-Syndrom bei Kindern
Makrozephalus und mindestens einer der folgenden Befunde:
- Autismus oder Entwicklungsverzögerung
- Dermatologische Manifestationen wie Lipome, Trichilemmome, orale Papillome oder peniles Freckling
- Vaskuläre Manifestationen wie arteriovenöse Malformationen oder Hämangiome
- Gastrointestinale Polypen
Klinische Diagnose: Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom
Bisher gibt es keine einheitlichen Diagnosekriterien. Der Verdacht auf das Vorliegen eines BRRS besteht bei folgenden Befunden:
- Makrozephalie
- Hamartomatöse intestinale Polyposis
- Lipome
- Pigmentierte Makulae der Glans penis
Klinische Diagnose: PTEN-assoziiertes Proteus-Syndrom
Der Verdacht auf das Vorliegen eines PS besteht bei folgenden Befunden:
- Asymmetrisches, übermäßiges Wachstum
- Cerebriforme Bindegewebsnävi (CCTN) oder lineare verruköse epidermale Nävi (LVEN)
- Auffällige Zunahme des Fettgewebes, Lipome
- Arteriovenöse Malformationen
Genetische Diagnostik
Die Diagnose „PTEN-Hamartom-Tumor-Syndrom“ wird gesichert durch den Nachweis einer heterozygoten Keimbahnmutation des PTEN-Gens durch Sequenz- oder Deletions-/Duplikationsanalyse. Auch der Einsatz von Panel-Untersuchungen, in denen mehrere Gene erfasst werden, sowie eine Exom- oder Genomsequenzierung kann sinnvoll sein.
Differentialdiagnosen
- Juvenile Polyposis-Syndrom (JPS)
- Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS)
- Birt-Hogg-Dubé-Syndrom (BHD)
- Neurofibromatose Typ 1 (NF1)
- Gorlin-Syndrom
- AKT1-assoziiertes Proteus-Syndrom
Klinische Präsentation

Cowden-Syndrom (CS)
Das Cowden-Syndrom ist charakterisiert durch mukokutane Manifestationen sowie eine Prädisposition für benigne und maligne Tumore der Schilddrüse, Brust und des Endometriums. Durch die häufig auftretenden hamartomatösen und gemischten intestinalen Polypen im Rahmen eines CS besteht ein erhöhtes Risiko für kolorektale Karzinome. Auch Nierenzellkarzinome können vorkommen. Daneben haben Patient:innen mit CS in der Regel eine Makrozephalie und Dolichozephalie.
In der dritten Lebensdekade weisen nahezu alle Patient:innen mukokutane Manifestationen in Form von Trichilemmomen, papillomatösen Papeln oder akralen und plantaren Keratosen auf.
Übersicht der Tumorrisiken beim Cowden-Syndrom (CS)
Mamma |
|
Schilddrüse |
|
Endometrium |
|
Gastrointestinale Neoplasien |
|
Nierenzellkarzinome |
|
Andere |
|
Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom (BRRS)
Klinische Zeichen eines BRRS sind:
- Makrozephalie
- Intestinale Polyposis (hamartomatöse Polypen bei 45% der Patient:innen, diese Polypen verursachen kein erhöhtes Risiko für kolorektale Karzinome)
- Lipome
- Pigmentierte Makulae der Glans penis
- hohes Geburtsgewicht
- Entwicklungsverzögerung und mentale Retardierung (bei 50% der Patient:innen)
- Myopathische Prozesse in der proximalen Muskulatur (bei 60% der Patient:innen)
- Hyperextensive Gelenke, Pectus excavatum und Skoliose (bei 50% der Patient:innen)
Das Risiko für maligne Tumore ist vergleichbar mit dem des Cowden-Syndroms.
PTEN-assoziiertes Proteus-Syndrom
Das PS ist charakterisiert durch ein progressives segmentales Wachstum verschiedener Gewebe. Am häufigsten sind Skelett, Haut, Fett und zentrales Nervensystem betroffen. Bei Geburt bestehen in der Regel keine Auffälligkeiten, das übermäßige Wachstum beginnt meist im Kleinkindalter.
Daneben ist das PS assoziiert mit verschiedenen Tumoren, pulmonalen Komplikationen, einem erhöhten Risiko für tiefe Venenthrombosen und pulmonale Embolien.
Besonderheiten bei der Behandlung

Die mukokutanen Manifestationen beim Cowden-Syndrom sind selten lebensbedrohlich. Daher wird folgende Therapie empfohlen:
- Bei asymptomatischen Manifestationen reicht eine regelmäßige Beobachtung aus.
- Bei Malignitätsverdacht sollte eine Exzision erfolgen.
- Symptomatische Manifestationen können mit topischen Agentien (z.B. 5-Fluorouracil), Kurettage, Kryochirurgie oder Laserablation therapiert werden.
Die Therapie der benignen und malignen Tumore im Rahmen eines PHTS unterscheidet sich nicht von der Therapie entsprechender sporadisch auftretender Tumore.
Diagnose PTEN-Hamartom-Tumor-Syndrom. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von betroffenen Patient:innen durch eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.
Diagnose PTEN-Hamartom-Tumor-Syndrom. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von betroffenen Patient:innen durch eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.
Empfehlungen zur Früherkennung bei Ihren Patient:innen

Nachfolgend finden Sie die Empfehlungen der International PHTS Consenus Guidelines Working Group und AACR Guidelines 2024.
Allgemein
- Vermeidung von Rauchen, Übergewicht und Alkohol
- Zum Zeitpunkt der Diagnose: Umfangreiche klinische Untersuchung und Aufklärung hinsichtlich möglicher Symptome
- risikoreduzierende Thyreoidektomie NICHT empfohlen
Sono Schilddrüse
- Ab 12 Jahren:
- keine Knoten: alle 3-5 Jahre
- klinisch inaktive Knoten: alle 2-3 Jahre
- klinisch aktive Knoten: weiteres Vorgehen nach ATA-Guidelines
- gutartige Knoten: Fortsetzung der Surveillance alle 1-2 Jahre
- Jährlich TSH kann ergänzt werden ab 18 Jahren
Nieren
- Sono alle 2 Jahre ab 35-40 Jahren kann erwogen werden
- MRT der Nieren kann erwogen werden
Kolektomie
- risikoreduzierende Kolektomie NICHT empfohlen
Koloskopie
- Baseline mit 35-40 Jahren
- hohe Polypenpast (>5 tubuläre Adenome), Polypen ≥1cm Durchmesser, high grade Dysplasie: Intervall 1-3 Jahre
- keine routinemäßige Gastroskopie
Dermatologische Untersuchung
- Jährlich ab 18 Jahren
Hysterektomie
- risikoreduzierende Hysterektomie routinemäßig NICHT empfohlen
- Hysterektomie kann bei uterinen Leiomyomen, Endometriumhyperplasie mit Atypie erwogen werden
Endometrium
- Patientenschulung ab 30-35 Jahren: anormale vaginale Blutung, postmenopausale Blutung bedarf Abklärung
Selbstuntersuchung der Brust
- Ab 18 Jahren
Klinische Brust-Untersuchung
- Jährlich ab 25 Jahren
Brust-MRT
- Jährlich ab 25 Jahren
Mammografie
- Zusätzlich ab 40 Jahren bis 75-80 Jahren
Risikoreduzierende Mastektomie
- Kann erwogen werden, erst ab 25 Jahren