NKX2-1-Syndrom – Definition

Das NKX2-1-Syndrom (OMIM #610978) ist eine genetische Erkrankung, die auf Mutationen im NKX2-1-Gen beruht. Es kann sich klinisch durch das Vollbild Hirn-Lunge-Schilddrüse-Syndrom äußern, aber auch durch eine Kombination von Manifestationen in Gehirn und Schilddrüse oder eine isolierte benigne hereditäre Chorea (BHC).

Synonyme:

Hirn-Lunge-Schilddrüse-Syndrom

Choreoathetose-Hypothyreose-neonatale Atemnot-Syndrom

Gen:

NKX2-1

Gen­produkte:

Homöoboxprotein NKX2-1, auch Schilddrüsen-Transkriptionsfaktor 1 genannt

Funktion:

Transkriptionsfaktor, spielt eine wichtige Rolle bei der Organogenese der Basalganglien, Lunge und Schilddrüse

Erb­gang:

autosomal-dominant, de novo Mutationen möglich (Anteil bisher unbekannt)

Prävalenz:

unbekannt, bisher wurden etwa 50 Fälle beschrieben

Genotyp-Phänotyp-Korrelation:

Große Deletionen führen zu schwereren phänotypischen Ausprägungen als Missense-Mutationen.

Penetranz:

unbekannt

Übersicht der Kapitel auf dieser Seite:

  • Wie hoch ist das Krebsrisiko?

  • Was ist über die Entstehung bekannt?

  • Gibt es eine Therapie?

  • Medizinische Maßnahmen zur Früherkennung

  • NKX2-1-Syndrom – was Sie selber tun können
  • Links (z.B. von Selbst­hilfe­gruppen) und weitere Informationen
  • Klinische Präsentation

  • Besonderheiten bei der Behandlung

  • Empfehlungen zur Früherkennung bei Ihren Patient:innen

  • Weitere Informationen (z.B. Links von Selbsthilfegruppen)

NKX2-1-Syndrom – Diagnosestellung

Verdachtsdiagnose

Der Verdacht auf ein NKX2-1-Syndrom besteht bei dem Vorliegen folgender Befunde:

  • In der Kindheit auftretende nicht-progrediente Chorea mit/ohne kongenitale Hypothyreose oder Atemnotsyndrom
  • Kongenitale Hypothyreose und (später) Entwicklung neurologischer Manifestationen und/oder respiratorischer Dysfunktion

Genetische Diagnostik

Die Diagnose „NKX2-1-Syndrom“ wird gesichert durch den Nachweis einer heterozygoten Keimbahnmutation des NKX2-1-Gens durch Sequenz-, Deletions-/Duplikationsanalyse oder chromosomale Microarray-Analyse. Auch der Einsatz von Panel-Untersuchungen, in denen mehrere Gene erfasst werden, sowie eine Exom- oder Genomsequenzierung kann sinnvoll sein.

Differentialdiagnosen

  • Andere Ursachen kongenitaler Hypothyreose
  • Andere Ursachen eines neonatalen Atemnotsyndroms
  • Andere Ursachen einer Chorea

Klinische Präsentation

Das phänotypische Spektrum des NKX2-1-Syndroms beinhaltet die benigne hereditäre Chorea, die kongenitale Hypothyreose und das neonatale Atemnotsyndrom. Es ist sowohl das Vollbild aller drei Entitäten möglich (Hirn-Lunge-Schilddrüse-Syndrom) als auch eine isolierte Manifestation nur einer oder zwei Ausprägungsformen.

Bei etwa 50% der Patient:innen mit NKX2-1-Mutation liegt ein vollständiges Hirn-Lunge-Schilddrüse-Syndrom vor, 30% der Patient:innen weisen eine Beteiligung von Gehirn und Schilddrüse auf und bei 13% tritt eine isolierte Chorea auf.

Neurologische Manifestationen

Die Chorea ist gekennzeichnet durch unwillkürliche, irreguläre und ruckartige Bewegungen und tritt typischerweise im frühen Säuglingsalter, am Ende des ersten Lebensjahres oder im späten Kindes- bis frühen Jugendalter erstmals auf. Bis in die zweite Lebensdekade verläuft die Chorea progredient, woraufhin sie danach meist stagniert oder sogar rückläufige Tendenzen zeigt.

Neben der Chorea sind weitere neurologische Auffälligkeiten wie Intentionstremor, Dysarthrie, faziale Apraxie, sensorischer Hörverlust, muskuläre Hypotonie, verminderte Koordination, motorische Entwicklungsverzögerung, Myoklonus, Dystonie und Ataxie im Rahmen einer NKX2-1-Mutation beschrieben.

Pulmonale Manifestationen

Die pulmonale Dysfunktion ist nach der Chorea die zweithäufigste Manifestation im Rahmen einer NKX2-1-Mutation und wird bei etwa 50% der Patient:innen beschrieben, wobei der Ausprägungsgrad variieren kann. Folgende Erkrankungen können auftreten:

  • Atemnotsyndrom mit oder ohne pulmonale Hypertonie: Häufigste Manifestation in der Neonatalperiode
  • Neuroendokrine Zellhyperplasie: Typischerweise im Kindesalter, bessert sich mit zunehmendem Alter
  • Interstitielle Lungenerkrankung (ILD): Auftreten zwischen 4 Monaten und 7 Jahren
  • Pulmonale Fibrose: Bei älteren Patient:innen

Daneben besteht ein leicht erhöhtes Risiko für das Auftreten pulmonaler Karzinome bei jungen Erwachsenen mit NKX2-1-Syndrom. Das genaue Risiko ist jedoch bisher nicht bekannt.

Manifestationen der Schilddrüse

Die Dysfunktion der Schilddrüse im Rahmen eines NKX2-1-Syndroms basiert auf einer Dysmorphogenese und kann sich als kongenitale Hypothyreose, reduzierte oder ausbleibende Produktion der Schilddrüsenhormone oder kompensierte Hypothyreose (niedrige bis normale Schilddrüsenhormone und erhöhtes TSH) äußern. Dabei kann die Schilddrüse in hypoplastischer Form vorliegen oder vollständig fehlen.

Das Risiko für papilläre Schilddrüsenkarzinome ist vermutlich leicht erhöht und der klinische Verlauf bei NKX2-1-Mutation aggressiver.

Besonderheiten bei der Behandlung

Die Therapie eines NKX2-1-Syndroms sollte stets symptomorientiert und interdisziplinär unter Beteiligung der entsprechenden Fachdisziplin erfolgen.

Bei der Behandlung der Chorea gilt Tetrabenazin als Therapie der Wahl und Levodopa als Zweitlinientherapie. Ergänzend spielt die Physiotherapie eine wichtige Rolle bei der Behandlung.

Atemnotsyndrom, ILD und Asthma sollten wie vergleichbare sporadisch auftretende Manifestationen behandelt werden.

Eine Substitution mit L-Thyroxin ist bei einer eingeschränkten Funktion der Schilddrüse erforderlich.

Diagnose NKX2-1-Syndrom. Wie geht es weiter?

Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von betroffenen Patient:innen durch eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.

Diagnose NKX2-1-Syndrom. Wie geht es weiter?

Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von betroffenen Patient:innen durch eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.

Empfehlungen zur Früherkennung bei Ihren Patient:innen

  • Bei Patient:innen ohne neurologische Manifestation oder mit minimalen Symptomen:
    Jährliche neurologische Untersuchung
  • Bei Patient:innen ohne pulmonale Manifestation oder mit minimalen Symptomen:
    Ab Diagnosestellung einer pulmonalen Dysfunktion jährlich Röntgen- oder CT-Thorax
  • Bei Patient:innen ohne Manifestation der Schilddrüse oder mit minimalen Symptomen:
    Ab Diagnosestellung einer Schilddrüsendysfunktion jährliche Untersuchung

Das Bewusstsein für ein leicht erhöhtes Krebsrisiko sollte bei den Patient:innen geschaffen werden. Eine gezielte Krebs-Früherkennung wird nicht empfohlen.

NKX2-1-Syndrom – weitere Informationen

Offene klinische Studien / Register

Weitere Informationen

Leider gibt es bislang keine uns bekannten Selbsthilfegruppen für Patient:innen mit dem NKX2-1-Syndrom. Sobald uns hier neue Informationen zur Verfügung stehen, werden wir diese ergänzen.