Multiple kartilaginäre Exostosen – Definition
Das Multiple kartilaginäre Exostosen Syndrom (OMIM 133700, 133701, 600209) ist eine seltene Erkrankung, bei der es zu multiplen kartilaginären Exostosen bzw. Osteochondromen zumeist an den Epiphysen der langen Knochen kommt. Es besteht das Risiko einer malignen Entartung zum Chondrosarkom.
Synonyme:
Hereditäre Multiple Exostosen, multiple Osteochondromatose, Osteochondromatose
Gen:
EXT1 (8q24.11) oder EXT2 (11p11.2)
Genprodukte:
Exostosin-Glycosyltransferase
Funktion:
Heparan-Sulfat Biosynthese
Erbgang:
autosomal-dominant, de novo
Prävalenz:
bis zu 1:50.000
Genotyp-Phänotyp-Korrelation:
Penetranz:
96% bei Frauen und 100% bei Männern
Multiple kartilaginäre Exostosen – Diagnosestellung

Die Diagnose wird klinisch-radiologisch gestellt, wenn zwei oder mehr Osteochondrome bzw. kartilaginäre Exostosen auftreten und eine andere Diagnose unwahrscheinlich erscheint. Bestätigt wird die Diagnose durch genetische Testung. Häufig liegt das Diagnosealter zwischen 5 und 7 Jahren.
Differentialdiagnosen
- Morbus Ollier und das Maffucci-Syndrom
- Langer-Giedion-Syndrom
- Potocki-Shaffer-Syndrom
- Morbus Gardner
- Menkes-Syndrom
- Fibrodysplasia Ossificans Progressiva
Klinische Präsentation

Kartilaginäre Exostosen sind benigne Knochentumore mit knorpeliger Kappe, die sich im Kindesalter aus den Wachstumsfugen entwickeln und mit Abschluss des Größenwachstums bzw. Verschluss der Wachstumsfugen ossifizieren. Die Zahl der Exostosen pro Patient variiert stark, im Durchschnitt sind es 15-18 Exostosen. Sie können an jedem Knochen auftreten, der mittels endochondraler Ossifikation entsteht. Am häufigsten betroffen ist das Knie mit distalem Femur (70%), proximaler Tibia (71%) und proximaler Fibula (27%), auch die obere Extremität ist regelmäßig betroffen. Andere Lokalisationen wie Hände, Scapulae, Rippen, Wirbelsäule, Becken sind auch möglich.
Die häufigsten Symptome sind Schmerzen durch Irritation oder Verdrängung benachbarter Strukturen wie Muskeln, Nerven, Blutgefäße oder Sehnen. Bewegungseinschränkungen in Gelenken, Beeinträchtigung des Größenwachstums oder Entstehung von Deformitäten der betroffenen Knochen können die Folge sein. Vor allem Beinlängendifferenzen sind häufig und eine Indikation zur chirurgischen Intervention. Seltene Komplikationen durch ungünstige Lokalisation der Exostosen umfassen unter anderem Pneumothoraces, Hämatothoraces, Brustschmerzen, neurologische Ausfälle und Dysphagie.
Eine maligne Entartung zum Chondrosarkom geschieht in 0,5-5% der Patient:innen, meist vor dem 40. Lebensjahr. Die häufigsten Lokalisationen sind das Becken, die Scapula, der proximale Femur, die Wirbelsäule oder die Rippen. Das Entartungsrisiko scheint bei EXT1 pathogenen Varianten 1,5-2-fach erhöht gegenüber EXT2 pathogenen Varianten. Warnzeichen für eine maligne Entartung sind Schmerzen und Tumorwachstum nach der Pubertät.
Besonderheiten bei der Behandlung

Die aktuelle Therapie besteht in der chirurgischen Entfernung von symptomatischen Exostosen und der Korrektur von Skelettdeformitäten. Bei asymptomatischen Exostosen besteht keine Indikation zur chirurgischen Intervention. Eine medikamentöse Therapie ist bisher nicht zugelassen.
Diagnose Multiple kartilaginäre Exostosen. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von betroffenen Patient:innen durch eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.
Diagnose Multiple kartilaginäre Exostosen. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von betroffenen Patient:innen durch eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.
Empfehlungen zur Früherkennung bei Ihren Patient:innen

Nachfolgend finden Sie die Empfehlungen aus den AACR Guidelines 2024.
Chondrosarkome
- Jährliche klinische Untersuchung ab Geburt
- Ganzkörper-MRT
- im frühen Jugendalter (ca. mit 12 Jahren) kann als Baseline-Untersuchung erwogen werden
- von 20-40 Jahren kann eine jährliche GK-MRT erwogen werden
- Ab Diagnose alle 2-3 Jahre sollten gezielte MRT-Untersuchungen für Läsionen im Becken oder Schulterblatt erwogen werden, insbesondere bei männlichen Patienten und Patient:innen mit EXT1-Variante
- Bei Schmerzen oder einer rasch zunehmenden Tumorgröße sollte eine gezielte MRT oder CT der Läsion erfolgen
- Bei Knorpelkappen <2cm sollte eine Biopsie erwogen werden
- Aufgrund der hohen Anzahl der Osteochondrome und der geringen Transformationstendenz zu Chondrosarkomen werden regelmäßige bildgebende Untersuchungen aller Läsionen NICHT empfohlen