Dyskeratosis congenita – Definition
Die Dyskeratosis congenita (OMIM: #127550, #30500, #615190, #613987, #613989) ist eine Telomeropathie, die durch die klinisch klassische Triade von Nageldystrophien, oraler Leukoplakie und Pigmentstörungen im Bereich der oberen Thoraxapertur und zervikal charakterisiert ist. Es besteht ein erhöhtes Risiko für ein progressives Knochenmarksversagen und die Entwicklung myeloischer Neoplasien, solider Tumore sowie einer pulmonalen Fibrose. Die Klinik ist variable und oftmals liegt die klassische Trias nicht vor.
Synonyme:
DC, Telomeren-Syndrome, Zinsser-Cole-Engman-Syndrom
Gene:
ACD, CTC1, DKC1, NHP2, NOP10, PARN, RTEL1, TERC, TERT, TINF2, WRAP53 (30% der Fälle mit klinischer DC sind aktuell genetisch noch nicht klassifiziert)
Genprodukte:
Alle Genprodukte spielen in der Telomerbiologie eine Rolle. TERC kodiert für eine RNA.
Funktion:
Stabilität und Erhalt der Telomere, die ihrerseits essentiell für die chromosomale Stabilität sind
Erbgang:
- X-gebunden: DKC1
- autosomal-dominant: TERC und TINF2
- autosomal-dominant oder autosomal-rezessiv: ACD, RTEL1, TERT
- autosomal-rezessiv: CTC1, NHP2, NOP10, PARN und WRAP53
Prävalenz:
in 2015 weltweit mindestens 400 Familien
Genotyp-Phänotyp-Korrelation:
Umfassende Studien fehlen. Schwere Verlaufsformen (kürzere Telomere als die klassische DC):
- Hoyeraal-Hreidarsson-Syndrom
- Revesz-Syndrom
Penetranz:
Bislang nicht gut verstanden. Hohe interindividuelle und innerfamiliäre Variabilität und bei altersabhängigen Symptombeginn, scheinbare inkomplette Penetranz. Phänomen der Antizipation.
Dyskeratosis congenita – Diagnosestellung

Klassische DC-Diagnose-Trias (nicht präsent in allen DC-Betroffenen)
- Nageldysplasien
- Pigmentstörungen, zervikal/obere Thoraxapertur
- Orale Leukoplakie
Diagnostik
- Leukozyten Telomer-Längen-Testung (Multicolor flow-FISH, PCR oder Restriktionsfragmentanalyse). Eine Lymphozyten Telomerlänge unterhalb der ersten Altersperzentile ist 97% sensitiv und 91% spezifisch für eine DC.
- Molekulargenetische Testung (serielle Einzelgen-Testung, Multigen-Panel, Exom-/Genom-Sequenzierung)
Differentialdiagnosen
- Angeborene Knochenmarkversagen (Fanconi-Anämie, Diamond-Blackfan-Anämie, Shwachman-Diamond-Syndrom)
- Erworbene Knochenmarkversagen
- Idiopathische pulmonale Fibrose (IPF)
- Erkrankungen, die mit Nageldystrophien einhergehen (Nagel-Patella-Syndrom, 20-Nägel-Dystrophie, Keratodermie mit Nageldystrophie und sensomotorischer Neuropathie, Poikilodermie mit Neutropenie).
Klinische Präsentation

Typische Präsentation
- Progredientes Knochenmarkversagen: Thrombopenie, Leukopenie, Anämie (50% bis zum 40. LJ)
- Lunge: Idiopathische pulmonale Fibrose (65%), Bronchiolitis obliterans, chronische Hypersensitivitätspneumonien, Emphyseme
- Leber: Histologisches heterogenes Bild einer Inflammation, Hämochromatose, Hepatozytennekrose, Fibrose, noduläre regenerative Hypoplasie
- Dermatologie: Nageldystrophien, Pigmentstörungen, Hyperhidrose
- Wachstum & Entwicklung: Kleine Statur, Wachstums- (auch intrauterin) und Entwicklungsretardierung
- Auge: Epiphora, abnormes Wimpernwachstum, bilaterale exsudative Retinopathie
- HNO: Orale Leukoplakie, Taubheit (selten)
- Kardiovaskulär: ASD, VSD, myokardiale Fibrose, dilatative Kardiomyopathie
- Gastrointestinal: Ösophageale Stenosen, Enteropathie, Leberfibrose, Hepatopulmonales Syndrom (HPS), Gefäßektasien, teils lebensbedrohliche gastrointestinale Blutungen
- Urogenital: Urethralstenose
- Muskuloskelettal: Osteoporose, Osteopenie, avaskuläre Nekrosen in Schulter und Hüfte
- Psychiatrie: Schizophrenie
- Endokrin: Hypogonadismus
- Immunologie: Immundefizienz
Schwere Verlaufsformen
- Hoyeraal-Hreidarsson-Syndrom: Frühkindlicher Beginn, zusätzlich zu den klassischen DC-Merkmalen zerebelläre Hypoplasie, Entwicklungsretardierung, Immundefizienz, intrauterine Wachstumsretardierung, Knochenmarkversagen
- Revesz-Syndrom: Frühkindlicher Beginn, zusätzlich zu den Merkmalen der DC bilaterale exsudative Retinopathie, intrakraniale Kalzifikationen, intrauterine Wachstumsretardierung, Knochenmarkversagen, schütteres dünnes Haar, Nageldystrophien, orale Leukoplakie
Krebsprädisposition
- Myeloische Neoplasien (MDS, AML)
- Plattenepithel-Karzinome und Adenokarzinome des Oropharynx (HNSCC), GI-Traktes und Anogenitalbereiches
- Das Risiko für eine maligne Erkrankung ist 11-fach erhöht im Vergleich zu der gesunden Bevölkerung. Auftreten ab der 3. Lebensdekade.
Besonderheiten bei der Behandlung

- Monatliche orale Selbstkontrolle auf Schleimhautveränderungen
- Therapie entsprechend der Manifestation
- Androgene/KMT bei Knochenmarkversagen
- Vermeidung von Blutkonserven von Familienspendern, wenn eine KMT erwogen wird
- Keine Kombiantion von Androgenen und G-CSF (Assoziation mit Milzruptur)
- Kanzerogene Noxen meiden (Nikotin, Alkohol)
Diagnose Dyskeratosis congenita. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von Betroffenen durch eine Spezialistin bzw. einen Spezialisten für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.
Diagnose Dyskeratosis congenita. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von Betroffenen durch eine Spezialistin bzw. einen Spezialisten für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.
Empfehlungen zur Früherkennung

Nachfolgend finden Sie die Empfehlungen aus den AACR-Guidelines 2024.
Hämato-Onkologie
- Aufmerksamkeit hinsichtlich tumorbedingter Symptome ab Diagnose
- Vermeidung von ionisierender Strahlung
- HPV-Impfung
- Gründliche Mundhygiene beachten
- Vollständige körperliche Untersuchung ab Diagnose jährlich
- Großes Blutbild ab Diagnose alle 6-12 Monate (oder häufiger abhängig von der klinischen Manifestation, der vorliegenden genetischen Variante oder der Telomerlänge)
- Knochenmarkpunktion und -stanzbiopsie als Baseline bei Diagnose. Ggf. jährliche Wiederholung abhängig von der klinischen Manifestation, der vorliegenden genetischen Variante oder der Telomerlänge.
Dermatologie
- Konsequenten Sonnenschutz beachten
- Hautscreening ab 5 Jahren oder früher jährlich
HNO
- Nasopharyngoskopie ab 10 Jahren jährlich
- Baseline-Hörstatus
Zahnarzt
- Zahnärztliche Untersuchung ab Diagnose alle 6 Monate
Gynäkologie und Urologie
- Baseline-Untersuchung auf urogenitale Fehlbildungen
- Gynäkologische Untersuchung ab 18 Jahren bzw. ab sexueller Aktivität jährlich
Immunologie
- Monitoring der Immunglobulin-Level entsprechend immunologischer Empfehlungen
Pulmologie
- Baseline-Funktionstestung mit regelmäßigen Routine Follow-up
Gastroenterologie und Ernährung
- Jährliche Leberfunktionstestung
- Unter Androgentherapie häufiger (halbjährliche Leber-Sonographie, 3-monatliche Leberfunktionstestung)
Endokrinologie
- Jährliches Diabetesscreening, Wachstums-Monitoring
Neurologie
- cMRT-Untersuchung auf zerebelläre Hypoplasie bei Diagnose, frühzeitige Supportivtherapie bei Entwicklungsretardierung
Ophthalmologie
- Jährliche Untersuchungen, Monitoring und frühzeitige Intervention bei Tränengangstenose
Orthopädie
- Evaluation von aseptischen Knochennekrose der Hüfte und Schulter nach Klinik
Kardiologie
- Baseline Evaluation auf AV- und kardiale Malformationen