Sotos-Syndrom – Definition

Das Sotos-Syndrom (OMIM #117550) ist eine genetische Erkrankung, die auf Mutationen im NSD1-Gen beruht. Es ist gekennzeichnet durch eine charakteristische Fazies, Entwicklungsverzögerung und Großwuchs.

Synonyme:

Zerebraler Gigantismus

Chromosom 5q35 Deletions-Syndrom

Gen:

NSD1

Gen­produkt:

NSD1 (Nuclear receptor-binding SET domain protein 1)

Funktion:

Histon-Methyltransferase, die als Transkriptionsfaktor agiert

Erbgang:

autosomal-dominant, 95% de novo Mutationen

Prävalenz:

1:14.000 Lebendgeburten

Genotyp-
Phänotyp-
Korrelation:

5q35 Mikrodeletionen zeigen einen weniger ausgeprägten Großwuchs, aber eine stärkere Entwicklungsverzögerung als intragenetische Mutationen

Penetranz:

100%

Übersicht der Kapitel auf dieser Seite:

  • Wie hoch ist das Krebsrisiko?

  • Was ist über die Entstehung bekannt?

  • Gibt es eine Therapie?

  • Medizinische Maßnahmen zur Früherkennung

  • Sotos-Syndrom – was Sie selber tun können
  • Links (z.B. von Selbst­hilfe­gruppen) und weitere Informationen
  • Klinische Präsentation

  • Besonderheiten bei der Behandlung

  • Empfehlungen zur Früherkennung bei Ihren Patient:innen

  • Weitere Informationen (z.B. Links von Selbsthilfegruppen)

Sotos-Syndrom – Diagnosestellung

Verdachtsdiagnose

Der Verdacht auf ein Sotos-Syndrom besteht bei dem Vorliegen folgender Befunde:

Charakteristische Fazies (gut erkennbar im Alter von 1-6 Jahren):

  • Breite, prominente Stirn mit dolichozephaler Kopfform
  • Frontotemporal schütteres Haar
  • Abfallende Lidspalten
  • Gerötete Wangen
  • Langes, schmales Gesicht (v.a. bitemporal eingeengt)
  • Langes Kinn

Entwicklungsverzögerung:

  • Frühe Entwicklungsverzögerung und Lernbehinderung
  • Milde bis schwere intellektuelle Retardierung

Großwuchs:

  • Größe und/oder Kopfumfang ≥97. Perzentile

Genetische Diagnostik

Die Diagnose „Sotos-Syndrom“ wird gesichert durch den Nachweis einer heterozygoten Keimbahnmutation des NSD1-Gens durch Sequenz- oder Deletions-/Duplikationsanalyse. Auch der Einsatz von Panel-Untersuchungen, in denen mehrere Gene erfasst werden, kann sinnvoll sein.

Differentialdiagnosen

  • SAA, MDS, angeborene Syndrome mit Knochenmarkversagen
  • DNA-Reparaturdefekte wie Nijmegen-Breakage-Syndrom, Bloom-Syndrom

Klinische Präsentation

Die Symptome im Rahmen eines Sotos-Syndroms werden klassifiziert in Kardinalsymptome, Major-Symptome und assoziierte Symptome.

Kardinalsymptome

Sie bestehen bei ≥90% der Personen mit Sotos-Syndrom.

  • Charakteristische Fazies
    Sie besteht bereits bei Geburt, zeigt sich jedoch am prominentesten zwischen 1 und 6 Jahren. Kennzeichnend sind eine dolichozephale Kopfform, eine breite und prominente Stirn, frontotemporal schütteres Haar, abfallende Lidspalten und gerötete Wangen. Im Kindesalter zeigen sich zusätzlich ein schmaler Kiefer und ein langes Kinn. Im Erwachsenenalter sind die Symptome meist weniger stark ausgeprägt.
  • Entwicklungsverzögerung
    Es besteht meist eine Entwicklungsverzögerung, die den motorischen, sprachlichen und kognitiven Bereich umfasst. Motorische Meilensteine werden oft erst verspätet erreicht, dies ist mitunter durch die Körpergröße, eine hypotone Muskulatur und eine mangelnde Koordination bedingt. Die kognitive Beeinträchtigung kann nur schwach ausgeprägt sein oder aber auch so stark, dass eine eigenständige Lebensführung für die betroffenen Personen nicht möglich ist.
  • Großwuchs
    Der Großwuchs besteht bereits pränatal und ist v.a. das Resultat eines verstärkten Extremitätenwachstums. Kinder mit Sotos-Syndrom werden meist reif geboren und weisen bei Geburt eine Körpergröße und einen Kopfumfang ≥97. Perzentile auf, wobei das Körpergewicht in der Regel im durchschnittlichen Bereich liegt. Im Kindes- und Jugendalter verläuft das Wachstum linear, so dass weiterhin ein Großwuchs ≥97. Perzentile besteht. Erst im Erwachsenenalter kann sich die Körpergröße normalisieren. Der Kopfumfang bleibt auch im Erwachsenenalter meist ≥97. Perzentile.

Major-Symptome

Sie bestehen bei 15-89% der Personen mit Sotos-Syndrom.

  • Verhaltensprobleme
    Autismus-Spektrum-Störungen, Phobien, Aggressionen, Schwierigkeiten in Gruppengefügen, Naivität, fehlendes Bewusstsein für soziales Verhalten
  • Fortgeschrittenes Knochenalter
    Bei 75-80% der präpubertären Patient:innen
  • Kardiale Anomalien
    Bei 20% der Patient:innen in Form von PDA, ASD, VSD, Non-Compaction-Kardiomyopathie oder Aortendilatation
  • Abnormalitäten in kranilaler MRT/CT
    Bei der Mehrzahl der Patient:innen in Form von erweiterten Ventrikeln, Mittellinienveränderungen, zerebraler Atrophie und kleinem Vermis cerebelli
  • Hypermobilität der Gelenke, Pes planus
    Bei 20% der Patient:innen
  • Maternale Präeklampsie
    Bei 15% der Schwangerschaften
  • Neonatale Komplikationen
    Ikterus (65%), Hypotonie (75%) und Fütterungsschwierigkeiten (70%): Meist spontane Normalisierung, selten besteht Interventionsbedarf
  • Renale Anomalien
    Bei 15% der Patient:innen v.a. in Form von vesikoureteralem Reflux
  • Skoliose
    Bei 30% der Patient:innen, selten operationsbedürftig
  • Krampfanfälle
    Bei 25% der Patient:innen treten im Laufe des Lebens afebrile Krampfanfälle auf. Diese können tonisch-klonisch, myoklonisch oder partial-komplex sein sowie sich als Absence darstellen.

Assoziierte Symptome

Tumore

Bei etwa 3% der Patient:innen in Form von ovarieller Fibromatose, sakrokokzygealen Teratomen, Neuroblastomen, präsakralen Gangliomen, akuter lymphatischer Leukämie (ALL), akuter myeloischer Leukämie (AML), Hepatoblastomen, Magen-, Hoden- und kleinzelligen Bronchialkarzinomen

Weitere:

Bei 2-15% der Patient:innen

  • Augen: Astigmatismus, Katarakt, Hyperopie, Myopie, Strabismus, Nystagmus
  • Ohren: Cholesteatom, Schallleitungs-Hörverlust
  • Skelett: Hemihypertrophie, Kontrakturen, Kraniosynostose, Pectus excavatum, Wirbelkörperanomalien, 2/3 Zehensyndaktylie, Klumpfuß
  • GIT, Abdomen: Obstipation, gastroösophagealer Reflux, Inguinalhernie, Umbilikalhernie
  • Haut, Nägel, Zähne: Hämangiome, hyper- oder hypopigmentierte Haut, hypoplastische Nägel, Hypodontie
  • Genitale: Kryptorchismus, Hydrozele, Hypospadie, Phimose
  • Endokrinologie: Hyperkalzämie, neonatale Hypoglykämie

Besonderheiten bei der Behandlung

Im Hinblick auf die Vielzahl möglicher Manifestationen sollte die Therapie stets symptomorientiert und interdisziplinär unter Beteiligung der entsprechenden Fachdisziplin erfolgen.

Diagnose Sotos-Syndrom. Wie geht es weiter?

Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von betroffenen Patient:innen durch eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.

Diagnose Sotos-Syndrom. Wie geht es weiter?

Nach der Diagnose ist es ratsam, die Weiterbehandlung von betroffenen Patient:innen durch eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom durchführen zu lassen. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem finden Sie am Ende dieser Seite noch ein paar weiterführende Informationen wie z.B. die Links von Selbsthilfegruppen.

Empfehlungen zur Früherkennung bei Ihren Patient:innen

Bisher bestehen keine einheitlichen Früherkennungsempfehlungen. Patient:innen mit einem Sotos-Syndrom sollten regelmäßig ärztlich untersucht werden. Diese Vorstellung sollte folgendes beinhalten:

  • Ausführliche Anamnese
  • Kardiale Auskultation
  • Blutdruckmessung
  • Klinische Untersuchung der Wirbelsäule
  • Urin-Stix

Bei Auffälligkeiten sollten ggf. weitere Untersuchungen und die Überweisung an Spezialisten erfolgen.

Das Bewusstsein für ein moderat erhöhtes Krebsrisiko sollte bei den Patient:innen geschaffen werden. Eine gezielte Krebs-Früherkennung wird nicht empfohlen.

Sotos-Syndrom – weitere Informationen

Offene klinische Studien / Register

Weitere Informationen

Leider gibt es bislang keine uns bekannten Selbsthilfegruppen für Patient:innen mit dem Sotos-Syndrom. Sobald uns hier neue Informationen zur Verfügung stehen, werden wir diese ergänzen.