"DICER1-Syndrom" – was ist das?

Das DICER1-Syndrom (auch „DICER1-Pleuropulmonary blastoma familial tumor predisposition syndrome“ oder „DICER1-Related Disorders“) ist eine Erkrankung, die auf Mutationen, also Veränderungen des Erbgutes im DICER1-Gen beruht. Diese genetische, also erbliche Erkrankung geht mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Lungentumoren (pleuropulmonales Blastom), Nierentumoren (zystisches Nephrom), Tumoren der Eierstöcke und der Schilddrüse sowie vielen weiteren gut- und bösartigen Tumoren einher.

Übersicht der Kapitel auf dieser Seite:

  • Wie hoch ist das Krebsrisiko?

  • Was ist über die Entstehung bekannt?

  • Gibt es eine Therapie?

  • Medizinische Maßnahmen zur Früherkennung

  • DICER1-Syndrom – was Sie selber tun können
  • Links (z.B. von Selbst­hilfe­gruppen) und weitere Informationen
  • Wie hoch ist das Krebsrisiko?

  • Was ist über die Entstehung bekannt?

  • Gibt es eine Therapie?

  • Medizinische Maßnahmen zur Früherkennung

  • DICER1-Syndrom – was Sie selber tun können
  • Links (z.B. von Selbsthilfegruppen) und weitere Informationen

Wie wird die Diagnose "DICER1-Syndrom" gestellt?

Das DICER1-Syndrom wird durch eine Genmutation, also eine Veränderung des Erbgutes im DICER1-Gen verursacht. Diese Mutation kann in genetischen Untersuchungen nachgewiesen werden, wodurch die Diagnose gesichert werden kann. Eine solche genetische Untersuchung sollte immer dann erfolgen, wenn einer der folgenden Tumore bei einer Person auftritt:

  • Pleuropulmonales Blastom (PPB)
  • Keimstrangtumore des Eierstocks (Sertoli-Leydig-Zelltumor, juveniler Granulosazelltumor, Gynandroblastom)
  • Zystisches Nephrom
  • Nicht anders erklärte Tumore der Schilddrüse inkl. Struma multinodosa, Adenome und differenziertes Schilddrüsenkarzinom
  • Medulloepitheliom des Ziliarkörpers (CBME) am Auge
  • Embryonales Rhabdomyosarkom (ERMS) des Gebärmutterhalses (Sarkoma botryoides)
  • Nasales chondromesenchymales Hamartom (NCMH)
  • Hypophysenblastom
  • Pineoblastom

Weitere klinische Merkmale

Die klinischen Symptome sind vielfältig und ihre Entwicklung ist altersabhängig. Nachfolgend sind die im Rahmen eines DICER1-Syndroms auftretenden Erkrankungen in Verbindung mit dem Alter der Betroffenen aufgelistet:

< Tabelle seitlich verschiebbar >
Erkrankung Betroffene (Durchschnittsalter bei Erstdiagnose)
Pleuropulmonales Blastom
•  Typ I PPB (zystisch)
•  Typ II PPB (zystisch/solide)
•  Typ III PPB (solide)
•  Typ Ir PPB (zystisch)
0-24 Monate (8 Monate)
12-60 Monate (31 Monate)
18-72 Monate (44 Monate)
jedes Alter
Keimstrangtumore des Ovars
•  Sertoli-Leydig-Zelltumor
•  Juveniler Granulosazelltumor
•  Gynandroblastom
2-45 Jahre (10-25 Jahre)
sehr junge Mädchen oder > 10 Jahre
selten Jugendliche, meist Erwachsene
Zystisches Nephrom 0-48 Monate
Struma multinodosa 5-40 Jahre (10-20 Jahre)
Medulloepitheliom des Ziliarkörpers 3-10 Jahre
Embryonales Rhabdomyosarkom der Zervix 4-45 Jahre (10-20 Jahre)
Nasales chondromesenchymales Hamartom 6-18 Jahre
Hypophysenblastom 0-24 Monate
Pineoblastom 2-25 Jahre
< Tabelle seitlich verschiebbar >

Weitere Erkrankungen, die in Verbindung mit Mutationen im DICER1-Gen beschrieben wurden: Differenziertes Schilddrüsenkarzinom (5-40 Jahre (10-20 Jahre)), Wilmstumor (3-13 Jahre), juvenile hamartöse intestinale Polypen (0-4 Jahre), anaplastisches Sarkom der Niere (2-20 Jahre), Medulloblastom, embryonales Rhabdomyosarkom der Blase (<5 Jahre), embryonales Rhabdomyosarkom des Ovars, Neuroblastom (<5 Jahre), kongenitale Phthisis bulbi (Geburt), primitiv neuroektodermaler Tumor der Zervix

Wie hoch ist das Krebsrisiko?

Die meisten Tumoren in Familien mit DICER1-Mutationen treten vor dem 40. Lebensjahr auf, pleuropulmonale Blastome typischerweise bereits vor dem 6. Lebensjahr und zystische Nephrome vor dem 4. Lebensjahr. Daneben ist bekannt, dass das pleuropulmonale Blastom in einer Familie selten mehr als einmal auftritt. Andere Erkrankungen wie die noduläre Hyperplasie der Schilddrüse oder benigne Lungenzysten kommen in Familien dagegen gehäuft vor. Über die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einzelner Krebserkrankungen kann bisher keine Aussage gemacht werden.

DICER1-Syndrom – was ist über die Entstehung bekannt?

Für den menschlichen Körper ist es wichtig, dass in den Zellen regelhaft Gene zielgerichtet abgeschaltet werden. Eine Möglichkeit, ein Gen gezielt stillzulegen, ist es, dieses Gen in kleine Stücke zu schneiden. Dafür wird ein bestimmtes Protein, die Endoribonuklease DICER1, benötigt, für welches das DICER1-Gen kodiert. Kommt es nun zu einer Mutation, also einer Veränderung des DICER1-Gens, wird auch das Protein Endoribonuklease DICER1 nicht mehr korrekt hergestellt und kann folglich seine Funktion nicht erfüllen. Das Abschalten bestimmter Gene ist dadurch nicht mehr möglich, was die Entwicklung von verschiedenen Tumoren zur Folge hat.

80% der Patient:innen mit DICER1-Syndrom haben die Erkrankung von ihren Eltern geerbt. Der Erbgang, nach dessen Schema die Erkrankung von den Eltern auf das Kind weitergegeben wird, ist autosomal-dominant. Dabei beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind betroffener Eltern auch am DICER1-Syndrom erkrankt 50%.

Den verbleibenden 20% der Fälle liegt eine Spontan- oder Neumutation, man nennt das eine de novo Mutation, zu Grunde.

Gibt es eine Therapie?

Die Behandlung des DICER1-Syndroms muss sich stets nach der bei dem Patient:innen vorliegenden Tumorerkrankung richten. Bei einigen Tumoren spielt auch das Alter des Patient:innen bei der Wahl der Therapie eine entscheidende Rolle. Häufig besteht diese aus einer initialen operativen Therapie gefolgt von einer Bestrahlung und/oder einer Chemotherapie.

Pleuropulmonale Blastome werden zunächst möglichst vollständig operativ entfernt. Darauf folgt eine Chemotherapie, deren Intensität abhängig ist vom Typ des PPB. 5 Jahre nach der Diagnosestellung leben bei der Typ I PPB noch 89%, bei Typ II 74% und bei Typ III noch 53% der Patient:innen. Dagegen ist bei Typ Ir PPB nach 5 Jahren eine Überlebensrate von 100% zu verzeichnen.

Bei Tumoren der Eierstöcke (Sertoli-Leydig-Zelltumor, juveniler Granulosazelltumor und Gynandroblastom) wird je nach Stadium der Erkrankung zum Teil bereits vor einer operativen Therapie eine Chemotherapie durchgeführt. Die Prognose für Patient:innen mit diesen Tumoren ist insgesamt sehr gut.

Zystische Nephrome müssen meist operativ behandelt werden. Ist eine Niere mit sehr vielen Zysten durchsetzt, kann es notwendig sein, sie vollständig zu entfernen.

Diagnose DICER1-Syndrom. Wie geht es weiter?

Nach der Diagnose wenden Sie sich bitte unbedingt an einen Spezialisten bzw. eine Spezialistin für dieses Krebsprädispositionssyndrom. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem geben wir Ihnen ein paar Tipps, was Sie selber tun können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte jederzeit an uns oder Ihren behandelnden Arzt oder Ihre behandelnde Ärztin.

Diagnose DICER1-Syndrom. Wie geht es weiter?

Nach der Diagnose wenden Sie sich bitte unbedingt an einen Spezialisten bzw. eine Spezialistin für dieses Krebsprädispositionssyndrom. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem geben wir Ihnen ein paar Tipps, was Sie selber tun können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte jederzeit an uns oder Ihren behandelnden Arzt oder Ihre behandelnde Ärztin.

Medizinische Maßnahmen zur Früherkennung

Ein standardisiertes Vorgehen zur frühzeitigen Erkennung von Krebserkrankungen bei DICER1-Mutationen ist bisher nicht verfügbar, jedoch empfiehlt das International PPB Registry:

  • Jährliche klinische Untersuchung
  • Bildgebende bzw. laborchemische Diagnostik je nach Art des Tumors, Patient:innenalter und klinischem Befund

Pleuropulmonales Blastom

  • Klinische Untersuchung: Atemnot, Brustschmerz, Fieber, Gewichtsverlust?
  • Röntgen der Lunge alle 4-6 Monate (0-8 Jahre), danach jährlich (8-12 Jahre)
  • CT der Lunge initial zwischen 3 und 6 Monaten. Bei unauffälligem Befund sollte das nächste CT der Lunge mit 2,5 bis 3 Jahren erfolgen.
  • Wird die Mutation erst im Alter >12 Jahre diagnostiziert, kann eine Röntgen- oder CT-Untersuchung der Lunge als Basisdiagnostik erwogen werden.

Tumore der Schilddrüse

  • Ultraschall der Schilddrüse:
    • Ab 8 Jahren; bei unauffälligem Befund erneute Ultraschalluntersuchung nach 3 Jahren
    • Bei neu aufgetretenen Asymmetrien und/oder Knoten der Schilddrüse
    • Nach erfolgter Chemotherapie oder vor Beginn einer Chemotherapie
  • Funktionstests bei klinischen Hinweisen auf Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse

Zystisches Nephrom

  • Klinische Untersuchung: Bauchschmerzen, Schwellungen, Blut im Urin?
  • Ultraschall des Bauches alle 6 Monate (0-8 Jahre), danach jährlich (8-12 Jahre)
  • Wird die Mutation erst im Alter >12 Jahre diagnostiziert, kann eine Ultraschalluntersuchung des Bauches als Basisdiagnostik erwogen werden.

Keimstrang-Stroma-Tumore

  • Klinische Untersuchung: Vorzeitige Pubertät, Ausbleiben der Regelblutung, Zeichen der Vermännlichung, Raumforderungen in Bauch oder Becken?
    • Bei auffälligen Befunden entsprechende bildgebende bzw. laborchemische Diagnostik
  • Ultraschall des Bauches und Beckens alle 6-12 Monate ab 8-10 Jahren bis mindestens zum 40. Lebensjahr

Embryonales Rhabdomyosarkom der Zervix (Sarkoma botryoides)

  • Klinische Untersuchung: Blut im Urin, unnormale vaginale Blutung?
  • Blasenspiegelung bzw. Untersuchung des Gebärmutterhalses bei Auffälligkeiten

Medulloepitheliom des Ziliarkörpers

  • Klinische Untersuchung: Auffälligkeiten an Auge oder Augenhöhle?
  • Augenärztliche Untersuchung jährlich etwa ab 3 Jahren und mindestens bis zum 10. Lebensjahr inkl. Messung der Sehschärfe

Nasales chondromesenchymales Hamartom

  • Klinische Untersuchung von Säuglings- bis Erwachsenenalter: Atem- oder Essstörungen, Nasenausfluss, Nasenbluten, Sehstörungen, Mittelohrentzündung?
  • Nasale Endoskopie bei ophthalmologischen Zeichen einer Beteiligung der Augenhöhle (z.B. Augenmuskellähmung, Herabhängen der Augenlider, Abwärtsschielen, Einsinken des Augapfels in die Augenhöhle)

Hypophysenblastom

  • MRT des Kopfes bei Anzeichen eines Kortisol-Überschusses

Pineoblastom

  • Klinische Untersuchung: Neurologische Auffälligkeiten, Cushing-Syndrom, Diabetes insipidus?
  • MRT des Kopfes bei Auftreten von Symptomen, die auf Hirndruck hindeuten (Kopfschmerzen, gespannte Fontanelle, Erbrechen, Bewusstseinsstörung) oder anderen neurologischen Auffälligkeiten inkl. Blicklähmungen, Sehstörungen oder Nystagmus

DICER1-Syndrom – was Sie selber tun können

Darauf sollten Sie achten

Um eine Tumorerkrankung möglichst frühzeitig zu erkennen, sind Früherkennungsuntersuchungen extrem wichtig. Wenn diesen konsequent nachgegangen wird, können Tumore meist in einem frühen Stadium entdeckt werden, wodurch sich in der Regel die Therapie vereinfacht und die Prognose verbessert. Bei neu auftretenden Symptomen sollten Sie in jedem Fall einen Arzt bzw. eine Ärztin aufsuchen, so dass eine weitere Abklärung erfolgen kann.

Weitere Informationen

Leider gibt es bislang keine uns bekannten Selbsthilfegruppen für Patient:innen mit DICER1-Syndrom. Sobald uns neue Informationen zur Verfügung stehen, werden wir diese hier ergänzen. Patient:innen können sich jedoch jederzeit für das KPS-Register anmelden oder dies durch die betreuenden Ärztinnen und Ärzte vornehmen lassen.

Weitere Fragen?

Wir sind für Sie per E-Mail und telefonisch erreichbar. Zudem können Sie persönlich in unsere Sprechstunden kommen. Weitere Informationen entnehmen Sie am besten unserer Kontaktseite.