"Schinzel-Giedion-Syndrom" – was ist das?
Das Schinzel-Giedion-Syndrom (SGS) ist eine Erkrankung, die auf Mutationen, also genetischen Veränderungen im SETBP1-Gen beruht. Es ist gekennzeichnet durch eine schwere Entwicklungsverzögerung, eine charakteristische Gestalt des Gesichts und mehrere angeborene Anomalien, die vor allem das Skelett, den Urogenitaltrakt, die Nieren und das Herz betreffen. Daneben besteht ein erhöhtes Risiko für verschiedene Krebserkrankungen. Die Patient:innen sterben meist innerhalb der ersten zehn Lebensjahre.
Wie wird die Diagnose "Schinzel-Giedion-Syndrom" gestellt?
Klinische Diagnosekriterien
Die Diagnose „Schinzel-Giedion-Syndrom“ kann anhand von bestimmten vorliegenden Veränderungen oder Auffälligkeiten gestellt werden. Dabei werden die Symptome eingeteilt in obligatorische Kriterien, die für die Diagnosestellung erfüllt sein müssen, und zusätzliche Kriterien, von denen eines erfüllt sein muss.
Obligatorische Kriterien:
- Entwicklungsverzögerung (ausgenommen Neugeborene)
- Charakteristische Gestalt des Gesichts
- Prominente Stirn
- Eingesunkenes Mittelgesicht
- Kurze, nach oben gewandte Nase
Zusätzlich eines der folgenden Kriterien:
- Harnstauungsniere (Wassersackniere)
- Zwei der folgenden typischen Veränderungen des Skeletts
- Verhärtete Schädelbasis
- Weit offene Schädelnähte
- Erhöhte Dichte oder Dicke der Knochenoberfläche
- Breite Rippen
Genetische Diagnostik
Die Diagnose „Schinzel-Giedion-Syndrom“ wird neben der klinischen Diagnose zusätzlich gesichert durch den Nachweis einer Mutation, also einer genetischen Veränderung des SETBP1-Gens.
Wie hoch ist das Krebsrisiko?
Bei einzelnen Patient:innen wurden bösartige Tumore beschrieben. Dabei handelt es sich um Keimzelltumore (meist Tumore der Eierstöcke), primitive neuroektodermale Tumore (Tumore, die sich aus den Vorläuferstrukturen des Nervensystems entwickeln), ein Ependymom (Tumor des Gehirns und des Rückenmarks), ein Hepatoblastom (Lebertumor) und einen bösartigen retroperitonealen (hinter der Bauchhöhle gelegenen) Tumor. Das Krebsrisiko ist bisher nicht bekannt, es scheint jedoch hoch zu sein und liegt möglicherweise zwischen 10% und 15%.
Neben dem erhöhten Krebsrisiko kann sich im Rahmen eines Schinzel-Giedion-Syndroms eine Vielzahl von Symptomen manifestieren, die im Folgenden dargestellt ist:
Vorgeburtlich
Vor der Geburt kann sich beim Kind eine Harnstauungsniere (Wassersackniere) zeigen, die meist beidseitig vorliegt und unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Daneben kann eine überdurchschnittlich große Fruchtwassermenge bestehen.
Veränderungen des Gesichts
Die charakteristische Gestalt des Gesichts besteht aus eingesunkenem Mittelgesicht (bei allen Patient:innen vorhanden), großer vorderer Fontanelle, prominenter wulstiger Stirn, kurzer und nach oben gewandter Nase, weitem Augenabstand, breitem Mund mit großer Zunge, kurzem Nacken, tiefsitzenden Ohren mit Verformungen und auffällig starker Behaarung. Dabei sind die verschiedenen Merkmale von Patient:in zu Patient:in unterschiedlich stark ausgeprägt.
Organmanifestationen
Bei über 90% der Patient:innen ist eine Harnstauungsniere (Wassersackniere ) zu finden, die von der milden Nierenbeckenerweiterung bis hin zur schweren Harnstauungsniere reichen kann.
Die Mehrzahl der Patient:innen (76%) weist genitale Anomalien auf, die sich in der Regel als unterentwickelte Geschlechtsorgane und Fehlmündung der Harnröhre äußern.
Anomalien des Herzens sind bei knapp der Hälfte der Patient:innen zu finden. Dabei kann es sich um Herzklappenfehler, unterentwickelte Herzkammern, Defekte der Herzscheidewand oder eine fälschlicherweise nach Geburt fortbestehende Verbindung zwischen Aorta und Lungenarterie handeln.
Bei etwa einem Viertel der Patient:innen liegt ein Verschluss oder eine Verengung der hinteren Nasenöffnung vor.
Neurologische Auffälligkeiten
Eine schwere Entwicklungsverzögerung liegt bei der Mehrzahl der Patient:innen vor. Daneben werden häufig (70%) Krampfanfälle beschrieben, die meist schwer zu durchbrechen sind. Weiterhin können Seh- und Hörbeeinträchtigungen auftreten. In der Bildgebung des Kopfes können sich verschiedene Auffälligkeiten zeigen. Bei etwa der Hälfte der Patient:innen besteht eine Gedeihstörung.
Manifestationen an Armen und Beinen
Zu den häufig beobachteten Auffälligkeiten zählen verkürzte Arme und Beine, stark gekrümmte Nägel, O- oder X-Beine und eine Vierfingerfurche.
Auffälligkeiten des Skeletts
In der Bildgebung zeigen sich bei den Betroffenen häufig breite Rippen, eine verdickte, dichte Knochenoberfläche der Knochen an Armen und Beinen sowie unterentwickelte Endglieder an Händen und Füßen. Daneben werden häufig eine verhärtete Schädelbasis sowie weit offene Schädelnähte beschrieben.
Schinzel-Giedion-Syndrom – was ist über die Entstehung bekannt?
Das Schinzel-Giedion-Syndrom beruht auf Mutationen, also genetischen Veränderungen des SETBP1-Gens. Dieses Gen kodiert für das SET-bindende Protein-1, welches notwendig ist für das Vervielfältigen der DNA, also des Erbgutes, in unserem Körper.
Liegt nun das SETBP1-Gen in einer veränderten Form vor, wird auch das SET-bindende Protein-1 nicht korrekt hergestellt und kann seine eigentliche Funktion nicht mehr erfüllen. Dies kann zu einer fehlerhaften Entwicklung verschiedener Strukturen in unserem Körper führen.
Das Schinzel-Giedion-Syndrom tritt bei weniger als einer von 1.000.000 Lebendgeburten auf und kann von den Eltern an ihre Kinder weitergegeben werden. Der Erbgang ist dabei autosomal-dominant. In fast allen Fällen handelt es sich jedoch um eine Spontan- oder Neumutation, man nennt das de novo Mutation.
Gibt es eine Therapie?
Im Hinblick auf die Vielzahl möglicher Manifestationen sollte die Therapie stets symptomorientiert und in Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen erfolgen.
Diagnose Schinzel-Giedion-Syndrom. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose wenden Sie sich bitte unbedingt an eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem geben wir Ihnen ein paar Tipps, was Sie selber tun können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte jederzeit an uns oder Ihren behandelnden Arzt oder Ihre behandelnde Ärztin.
Diagnose Schinzel-Giedion-Syndrom. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose wenden Sie sich bitte unbedingt an eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem geben wir Ihnen ein paar Tipps, was Sie selber tun können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte jederzeit an uns oder Ihren behandelnden Arzt oder Ihre behandelnde Ärztin.
Medizinische Maßnahmen zur Früherkennung
Patient:innen und deren Familien sollten auf das vermutlich hohe Krebsrisiko von 10%-15% hingewiesen werden.
Bei der Basisdiagnostik sollte ein besonderes Augenmerk auf das Risiko für angeborene Tumore gelegt werden. Im Hinblick auf skelettale, neurologische und die Nieren betreffende Auffälligkeiten sollte diese Diagnostik eine Bildgebung der Wirbelsäule, des Bauches und des Beckens umfassen.
Bei Patient:innen mit schwerer Symptomausprägung kann ergänzend zu einer Basis-Blutuntersuchung die Bestimmung der Tumormarker AFP und β-HCG im Blut hilfreich sein.
Bei milderen Verläufen sollte zusätzlich die regelmäßige Bestimmung von AFP und β-HCG im Blut sowie die regelmäßige Durchführung einer Ultraschalluntersuchung des Bauches und Beckens erwogen werden.
Schinzel-Giedion-Syndrom – was Sie selber tun können
Darauf sollten Sie achten
Sie sollten eine:n Ärzt:in aufsuchen, sobald Veränderungen beim Wasserlassen oder Rückenschmerzen auftreten. Daneben sollten Bauchschmerzen, Abgeschlagenheit oder Müdigkeit wahrgenommen und einem Arzt oder einer Ärztin berichtet werden. Auch bei weiteren neu auftretenden Auffälligkeiten oder Beschwerden wie Einschränkungen oder Veränderungen beim Sehen und Hören sollten Sie eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen.
Weitere Informationen
Leider gibt es bislang keine uns bekannten Selbsthilfegruppen für Patient:innen mit Schinzel-Giedion-Syndrom. Sobald uns neue Informationen zur Verfügung stehen, werden wir diese hier ergänzen. Patient:innen können sich jedoch jederzeit für das KPS-Register anmelden oder dies durch die betreuenden Ärztinnen und Ärzte vornehmen lassen.
Weitere Fragen?
Wir sind für Sie per E-Mail und telefonisch erreichbar. Zudem können Sie persönlich in unsere Sprechstunden kommen. Weitere Informationen entnehmen Sie am besten unserer Kontaktseite.