"Schwannomatose" – was ist das?
Die Schwannomatose ist eine erst kürzlich neu identifizierte seltene Form der Neurofibromatose, die auch als Neurofibromatose Typ 3 bekannt wurde. Die Erkrankung führt zu der Entwicklung von gutartigen Nervenscheidentumoren, sogenannten Schwannomen, die sich überall entlang spinaler und peripherer Nerven bilden können. Diese Schwannome können chronische und oftmals diffuse Schmerzen verursachen. Die Schwannomatose wird häufig erst im Erwachsenenalter diagnostiziert.
Wie wird die Diagnose "Schwannomatose" gestellt?

Zumeist erfolgt die ärztliche Vorstellung aufgrund chronischer Schmerzen im Erwachsenenalter (medianes Alter bei Symptombeginn 30 Jahre, medianes Diagnosealter 40 Jahre). In deren Abklärung fallen in der klinischen oder bildgebenden Untersuchung dann die Schwannome auf, die aufgrund ihrer Lage den Nerven komprimieren oder verdrängen und Schmerzen verursachen können. Die Schmerzlokalisation und die Lage der Schwannome korrelieren aber nicht immer gut miteinander. Auch sind Schmerzintensität und Schmerzhäufigkeit nicht immer gut durch die Tumorlast erklärt. Obwohl Schmerzen die häufigsten und meistens einzigen Beschwerden sind, können Schwannome in Abhängigkeit von deren Lage weitere neurologische Symptome wie Taubheitsgefühle, Missempfindungen (Parästhesien), Störungen in Blasen- und Mastdarmfunktion, Sehstörungen und Kopfschmerzen verursachen.
Eine besondere Form der Schwannomatose kann durch eine Hirndrucksymptomatik mit Kopfschmerzen und Nüchternerbrechen (nächtliches oder frühmorgendliches Erbrechen nach dem Aufwachen) klinisch auffällig werden, in deren Abklärung dann Meningeome als Ursache diagnostiziert werden. Neurologische Ausfälle entstehen entsprechend der Tumorlokalisation. Diese Form wird auch Meningeomatose genannt.
Klinische Diagnosekriterien
- Nachweis von mehr als 2 nicht in der Haut gelegenen Schwannomen, von denen mindestens eines gewebsuntersuchend bestätigt wurde
und
ohne Nachweis von beidseitigen Vestibularisschwannomen (ein gutartiger Tumor der Nervenhülle des VIII. Hirnnerven, dem Hörgleichgewichtsnerven) in der Bildgebung vom Kopf
oder - Bestehen eines gewebsuntersuchend bestätigten Schwannomes oder eines intrakraniellen Meningeomes (meist gutartiger Tumor der Hirnhäute)
und
ein Verwandter ersten Grades (leibliche Eltern oder Kinder) mit Schwannomatose
Bei Bestehen von mehr als 2 nicht in der Haut gelegenen Schwannomen ohne gewebsuntersuchende Bestätigung liegt die Verdachtsdiagnose Schwannomatose jedoch nahe, insbesondere, wenn dabei chronische Schmerzen bestehen.
Die segmentale Schwannomatose beschreibt das Auftreten von Schwannomen nur in einer Extremität oder begrenzt über 2 Wirbelsäulensegmente (30% der Patient:innen haben eine segmentale Schwannomatose).
Wie hoch ist das Krebsrisiko?

In Abhängigkeit von der Lokalisation der genetischen Veränderungen präsentiert sich die Schwannomatose in 3 klinisch unterschiedlichen Erscheinungsformen:
- Die SMARCB1-Schwannomatose geht mit der Entwicklung vieler oftmals schmerzhafter, aber gutartiger Tumore der Nervenhüllen peripherer oder zentraler (in Kopf oder Spinalkanal gelegener) Nerven einher. Das Risiko der bösartigen Entartung ist wahrscheinlich gering erhöht. Außerdem ist das Risiko für die Entwicklung von gutartigen Tumoren der Hirnhäute (Meningeomen) leicht erhöht (5%).
- Die LZTR1-Schwannomatose kann einseitige Tumore des achten Hirnnerven, des Hörgleichgewichtsnerven (Vestibularisschwannome), verursachen.
- Die Meningeomatose (SMARCE1-Schwannomatose) prädisponiert zu isolierten zentralen oder spinalen gutartigen Tumoren der Hirnhäute (Meningeomen) in der Kindheit.
Schwannomatose – was ist über die Entstehung bekannt?

Die Schwannomatose ist eine vergleichsweise seltene genetische Erkrankung (weniger als 1 Betroffene:r unter 40.000 Menschen), bei der durch Veränderungen im Erbgutmaterial (Mutationen) die Regulation von Zellwachstum im Nervensystem verloren geht. Es kommt zu einem Kontrollverlust über die Zellvermehrung, so dass sich Schwann-Zellen, die eine Isolierhülle um die Nervenfasern bilden, übermäßig teilen und Schwannome entstehen können. Die Schwannomatose erscheint oftmals sporadisch, nur in etwa 20 Prozent ist eine familiäre Häufung beschrieben.
Gibt es eine Therapie?

Es ist bislang keine spezielle Therapie für die Schwannomatose bekannt. Eine chirurgische Intervention kann in bestimmten Situationen angezeigt sein und sollte dann von einem mit der Erkrankung vertraute:n Ärzt:in durchgeführt werden. Für inoperable Schwannome, die klinische Beschwerden wie Schmerzen verursachen, ist eine gute Schmerztherapie oftmals die einzige Behandlungsoption.
Bitte Fragen Sie Ihre:n behandelnde:n Ärzt:in, ob es offene klinische Studien gibt, die für Sie in Betracht kommen.
Diagnose Schwannomatose. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose wenden Sie sich bitte unbedingt an eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem geben wir Ihnen ein paar Tipps, was Sie selber tun können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte jederzeit an uns oder Ihren behandelnden Arzt oder Ihre behandelnde Ärztin.
Diagnose Schwannomatose. Wie geht es weiter?
Nach der Diagnose wenden Sie sich bitte unbedingt an eine:n Spezialist:in für dieses Krebsprädispositionssyndrom. Im folgenden Abschnitt schildern wir Ihnen, ob Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung oder andere Maßnahmen erforderlich sind und wie diese erfolgen sollten. Zudem geben wir Ihnen ein paar Tipps, was Sie selber tun können. Bei Fragen wenden Sie sich bitte jederzeit an uns oder Ihren behandelnden Arzt oder Ihre behandelnde Ärztin.
Medizinische Maßnahmen zur Früherkennung

Nach den neuesten Leitlinien der AACR (American Association of Cancer Research) werden für Patient:innen mit LZTR1– und SMARCB1-assoziierter Schwannomatose folgende Früherkennungsuntersuchungen empfohlen:
Menschen mit zufällig diagnostizierter pathogener Variante in LZTR1 ohne positive eigene Anamnese oder Familienanamnese hinsichtlich Schwannomen oder Schmerzen sollten KEINE Früherkennungsuntersuchungen wahrnehmen.
Basisuntersuchung: mit 10 Jahren oder bei Diagnose (je nachdem, was später auftritt)
- MRT des Kopfes und inneren Gehörgangs mit Kontrastmittel
- MRT der Wirbelsäule
- Ganzkörper-MRT (das Ganzkörper-MRT kann andere notwendige MRT-Untersuchungen nicht ersetzen)
- Untersuchung des Gehörs
- Augenärztliche Untersuchung
- Untersuchung der Haut auf schwannomatöse Plaques
Regelmäßige Untersuchungen bei Patient:innen ohne Symptome oder stabilen Befunden
- Körperliche Untersuchung inklusive neurologischer Untersuchung mit Erfassung jeglicher Schmerzen ab Diagnose jährlich
- MRT des Kopfes ab 13 Jahren oder 3 Jahre nach der Basisuntersuchung, alle 3 Jahre
- Nur bei LZTR1: mit Darstellung des inneren Gehörgangs
- Falls ein Hirntumor in der ersten MRT nachgewiesen wird, Wiederholung der MRT nach 1 Jahr, dann alle 3 Jahre bei stabilem Befund
- MRT der Wirbelsäule und Ganzkörper-MRT ab 13 Jahren oder 3 Jahre nach der Basisuntersuchung, abwechselnd, alle 3 Jahre
Regelmäßige Untersuchungen bei Patient:innen mit Symptomen
- MRT der schmerzhaften oder symptomatischen Region
- Bei SMARCB1-Patient:innen kann bei schnell wachsenden, sich verändernden, schmerzhaften oder funktionseinschränkenden Tumoren eine 18 F-FDG-PET erwogen werden
Schwannomatose – was Sie selber tun können
Darauf sollten Sie achten
Bitte kontaktieren Sie Ihre:n behandelnde:n Ärzt:in oder jede Neurofibromatose-Sprechstunde und vereinbaren Sie einen zeitnahen Termin bei neu auftretenden Symptomen wie Kopfschmerzen, Sehstörungen oder anderen neurologischen Ausfällen.
Weitere Informationen
- zur englischsprachigen Webseite der Children`s Tumor Foundation
- zur Webseite des Bundesverbands Neurofibromatose
Außerdem können sich Patient:innen jederzeit für das KPS-Register anmelden oder dies durch die betreuenden Ärztinnen und Ärzte vornehmen lassen.
Weitere Fragen?
Wir sind für Sie per E-Mail und telefonisch erreichbar. Zudem können Sie persönlich in unsere Sprechstunden kommen. Weitere Informationen entnehmen Sie am besten unserer Kontaktseite.